Mit 500 PS durch die Ausstellung

Kultur / 06.05.2016 • 18:41 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Künstler Gottfried Bechtold breitet sich auf rund 200 Quadratmetern Ausstellungsfläche aus.  Foto: M. Meusburger
Künstler Gottfried Bechtold breitet sich auf rund 200 Quadratmetern Ausstellungsfläche aus. Foto: M. Meusburger

In der neuen Galerie Maximilian Hutz sind Werke von Gottfried Bechtold zu sehen.

HARD. In der Wirke 4, Hard: Diese Adresse sollte man sich merken. Dort befindet sich seit Kurzem die Galerie Maximilian Hutz. Eröffnet wird die brandneue Ausstellungshalle mit dem bekannten Vorarlberger Künstler Gottfried Bechtold. Standesgemäß mit viel Porsche und PS, aber auch mit leiseren Tönen.

Auf rund 200 Quadratmetern Ausstellungsfläche, in einer hohen Halle mit einem „Garagentor“, nach Entwürfen von be baumschlager eberle und dem Harder Architekturbüro Früh, breitet sich Gottfried Bechtold aus. Wobei „ausbreiten“ es nicht ganz trifft. Bechtold ist vielmehr vorgefahren mit großem Gerät und Blech und Beton, hat seine Skulpturen vor der Halle platziert und die Halle selbst zum Parkplatz erkoren. Denn mittendrin steht, unübersehbarer Blickfang und erstmals in Vorarlberg zu sehen, die Skulptur „Panamera“. Mit 500 PS das wahrscheinlich schnellste Bildhauerwerk auf dem Planeten, hat den Künstler an dem Zwitter aus klassischer Skulptur und Auto das Hybride gereizt. Mit der Erweiterung des Skulpturenbegriffs, der Idee von Schwerkraft, Geschwindigkeit und Beschleunigung, und den Kategorien Zeit, Raum und Material befasst, dynamisiert Bechtold das normalerweise standortgebundene, unbewegliche Artefakt. Die Sockelfrage wird nicht zum Dilemma des Bildhauers, sie wird schlicht pulverisiert. So präsentiert sich die Skulptur „Panamera“ fahrbereit, ist allerdings nur wie in einem Computerspiel über ein Videosystem und Monitore im Innenraum zu steuern. Denn sämtliche Glasteile hat Bechtold durch Bronzeteile, einem klassischen Bildhauermaterial, als Skulpturen in der Skulptur ersetzt und damit den Blick von innen nach außen und umgekehrt verunmöglicht.

Bezug zum Menschen

Realzeit und Realraum bleiben draußen und trotzdem wird durch den Panamera auch die Wegstrecke, die das Fahrzeug zurücklegen könnte, besetzt. Dieser Bezug zum Menschen und zu alltäglichen Prozessen zeichnet das Schaffen von Bechtold bei allen physischen, psychischen und physikalischen Grenzgängen und dem Ausloten von sozialen und ästhetischen Potenzialen aus. Was passiert, wenn Bewegung in einem Crash jäh zum Stillstand gebracht und eine ikonenhafte Form, wie jene des Porsche Carrera, innert Minuten in der Schrottpresse in bloßes Material transferiert wird, demonstrieren Objekte wie „Verdichtung 997“. Das Auffangen der „Lebenssäfte“ in einem Glasballon verweist nicht nur auf die Analogie von Mensch und Maschine, was die Physiognomie und das Funktionieren des „Verbrennungsmotors“ betrifft, sondern stellt für Bechtold auch eine Manifestation der Unumkehrbarkeit der Zeit dar. Alles wäre für einen Neustart in dem gepressten Block komprimiert, der Schlüssel steckt, die Moleküle sind sämtlich erhalten, nur Form und Funktion haben sich drastisch verändert.

Lohnlisten

Eine Auswahl aus der Serie der „Ready Maids“, das schwarz-weiße, matt-glänzende Remake der auf einem Spiegel präsentierten und sich darin komplettierenden Skulptur „Narziss“ von 1978 und Arbeiten auf Papier runden eine gelungene und repräsentative Überblicks­ausstellung ab. Dass sich neben Siebdrucken und den großformatigen Drucken wie dem „Baumhirn“, das jene Nahtstelle zwischen Wurzel und Stamm ins Visier nimmt, wo sich die Funktion umkehrt und quasi Himmel und Erde aufeinandertreffen, auch neue Arbeiten in Hard finden, ist ein zusätzliches Zuckerl der Schau. Während in den „Lohnlisten“, für die Abrechnungen aus einer Papierfabrik aus den 1920ern als Bildträger dienen, gezeichnet, geschrieben, gemalt und gestempelt wird, läuft in der Reihe „Mona Lisa“ der Bechtold’sche Esprit zu großer Form auf, wenn auch im kleinen Format. Frech nimmt der Künstler in den Mischtechniken den beliebten kunsthistorischen Topos auf und vervollständigt die wohl berühmteste Dame der Welt ohne Unterleib nach eigenem Gutdünken.

Zur Person

Gottfried Bechtold

Bildhauer, Maler, Medien- und Objektkünstler

Geboren: 1947 in Bregenz

Ausbildung: Steinmetzlehre, Baugewerbeschule Hallein, Cornell University New York

Laufbahn: zahlreiche internationale Ausstellungen, u. a. documenta 5 in Kassel, Kunsthaus Bregenz sowie Projekte im öffentlichen Raum (u. a. HTL Kaindorf, Vorplatz Festspielhaus Bregenz, Weg zum Schloss Tirol bei Meran, Medienhaus Schwarzach), Gastprofessur in Graz

Wohnort: Hörbranz

Die Ausstellung ist in der Galerie Maximilian Hutz, In der Wirke 4 in Hard, bis August geöffnet, Do und Fr, 16 bis 18 Uhr, Sa, 10 bis 12 Uhr.

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