Worauf die Streichquartett-Connaisseurs warteten

Ereignishafte Schubertiade mit Bariton Manuel Walser und dem Takács Quartet.
HOHENEMS. Am dritten Tag dieser Mai-Schubertiade schon die erste Absage: Stammgast Angelika Kirchschlager war erkrankt. Kein Problem für Gerd Nachbauer, der für solche Fälle meist mehrere Trümpfe in der Hinterhand hat. Auf diese Weise kam wieder der aus dem Appenzell stammende Bariton Manuel Walser zum Zug, der bei seinem Debüt 2012 die junge Überraschung des Festivals war. Im Vorjahr sang der Quasthoff-Schüler in Schwarzenberg eine respektable „Winterreise“ und ist mittlerweile Ensemblemitglied der Wiener Staatsoper. Die Entwicklung, die Walser in dieser Zeit genommen hat, zeigt sich vor allem in seinem Stimmvolumen, das den Markus-Sittikus-Saal fast zu sprengen droht.
Vor allem bei einer Folge von Gilm-Vertonungen von Richard Strauss, wo er das „Habe Dank!“ in der berühmten „Zueignung“ triumphierend in voller Lautstärke in den Saal schmettert. Abgesehen davon verfügt der Schweizer über einen perfekt geführten, schön timbrierten und in allen Registern klar ausgebildeten Bariton, der durch seine Ausdruckskraft und Schönheit schon in den Gesängen aus dem „Italienischen Liederbuch“ von Hugo Wolf gefangen nimmt. Die Diktion ist nicht unbedingt seine Stärke, dagegen findet Walser, sobald er seine opernhafte Attitüde abgelegt hat, im zweiten Teil zu einer innig berührenden Gestaltung der kleinen, zerbrechlichen Lieder in Schumanns „Dichterliebe“. Sein Lehrer und Partner Wolfram Rieger zelebriert dazu verschwenderisch die Fülle an romantischen Farben, schwärmerischen Sehnsüchten und Schmerzen. Natürlich bleiben im Saal einige Reihen leer von Leuten, die sich auf Kirchschlager eingeschworen hatten. Jene, die Walser hören wollten, haben es nicht bereut und freuen sich wohl, wenn ihr Einspringer nach alter Schubertiade-Gepflogenheit in der nächsten Saison wieder einen fixen Startplatz im Programm erhält.
Umjubeltes Debüt
Lange hatten die Streichquartett-Connaisseurs unter den Schubertianern auf das weltweit gefeierte Takács Quartet gewartet – am Samstag dann endlich das umjubelte Debüt des 1975 gegründeten Ensembles, das erwartungsgemäß wie ein Sturmwind durch den Markus-Sittikus-Saal fegt, in jener unglaublichen Mischung aus Dramatik und Wärme, die zu seinem Markenzeichen wurde. Diese mitreißend temperamentvolle Spielweise macht vor allem Dvoráks Streichquintett Es-Dur zum Ereignis. Es ist weniger bekannt als das „amerikanische“ Streichquartett, aber ebenso gespickt mit typischen, oftmals tänzerischen Melodien aus der „Neuen Welt“, die dem Werk einen fast exotischen Grundton verleihen. Durch eine zweite Bratsche (Lawrence Power) wirkt der Klang deutlich abgedunkelt, geheimnisvoll, erhält aber auch gerade im Finale eine oft fast orchestrale Fülle und Intensität.
Ganz tief tauchen die vier Musiker mit ihrem exzellenten Primarius Edward Dusinberre am Beginn in die Welt von Schuberts „Rosamunde“-Quartett ein, diesem scheinbar so freundlichen Werk, auf dessen Andante mit dem berühmten Thema schon jeder im Publikum lauert. Doch diese biedermeierliche Idylle erweist sich als brüchig, ein Lächeln unter Tränen. Das Takács Quartet macht dies in beklemmender Weise deutlich, lässt die heile Welt gleich im düsteren Moll-Motiv des Kopfsatzes einstürzen. Auch in den bedrohlichen Celloeinwürfen des Menuetts, das in ein energisch aufbegehrendes, erschreckend fahl gespieltes Finale mündet. Eine geniale Deutung, die das Publikum sprachlos zurücklässt.
Schubertiade heute, Markus-Sittikus-Saal Hohenems:
16 Uhr: Christiane Karg, Sopran;
20 Uhr: Modigliani Quartett
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