Der Klang der Macht

Kultur / 13.05.2016 • 20:03 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Das neue Ausstellungsprojekt von Karl Salzmann in der Johanniterkirche wurde gestern Abend eröffnet.  Foto: VN/Hofmeister
Das neue Ausstellungsprojekt von Karl Salzmann in der Johanniterkirche wurde gestern Abend eröffnet. Foto: VN/Hofmeister

Vor der Installation von Karl Salzmann in der Johanniterkirche gibt es kein Entkommen.

FELDKIRCH. Als Rookie und als „Ohrenschauer“ hat der Vorarlberger Klangkünstler Karl Salzmann bei seinem Debüt im Ländle 2013 die Art Bodensee aufgemischt. Aktuell setzt sich der Sound-Bildhauer in der Feldkircher Johanniterkirche mit den Zusammenhängen von Macht und Klang auseinander.

Die Kunst, die Karl Salzmann betreibt, ist experimentell, installativ, skulptural und performativ, und an der Schnittstelle von bildender Kunst und Musik angesiedelt. Salzmann hat unter anderem bei Ruth Schnell Medienkunst studiert, einige Semester Elektroakustik hinter sich und leitet derzeit als Dozent an der Angewandten den Masterstudiengang „Art & Science“. Zwischen Theorie und Haptisch-orientiert-Sein sieht sich der Künstler, der sich international längst einen Namen gemacht hat, bevor er hierzulande wahrgenommen wurde, ganz in der Tradition einer „Kunst der Geräusche“, wie sie bereits von den Surrealisten proklamiert wurde. Als Bildhauer mit Sound befasst, reicht Karl Salzmann der bloße Klang allein aber nicht, er will auch etwas zum „Angreifen“, eine Form, im weitesten Sinn, erarbeiten. Hört oder sieht man die Werke des Künstlers zuerst? In der aktuellen Installation in der Feldkircher Johanniterkirche sind beide Sinne und mehr gleichzeitig gefordert. Denn noch während man schaut, der großen schwarzen Box zusieht, die zwischen Kirchen- und Altarraum wie ein überdimensionales Pendel bedrohlich hin und her schwingt, und einen Blick auf den Kreis aus 28 chromstahlglänzenden Marschtrommeln wirft, wird man vom Klang förmlich übermannt.

Kein langes Verweilen

Es ist nicht nur laut, es ist unerträglich laut. Der Klang legt sich beklemmend schwer auf die Brust, schnürt einem geradezu den Atem ab, der Boden unter den Füßen und mit ihm der ganze Raum scheint zu vibrieren, es wird an Grundfesten gerüttelt. „Man wird nicht lange hier verweilen wollen“, sagt Salzmann. Die Unerträglichkeit ist intendiert, ist Teil des Konzepts. Meilenweit davon entfernt, einen Wohlfühlraum oder gar eine Klangoase schaffen zu wollen, hat sich Karl Salzmann im Zuge seiner Forschungsarbeit und der Recherchen für seine bislang massivste und größte Installation, die ihn auch logistisch und technisch an die Grenzen gebracht hat, mit den Zusammenhängen von Macht, Politik und Klang auseinandergesetzt. Mit „Totalitäre Klänge“, so der Titel der Installation, schafft der Künstler den Bezug zu aktuellen gesellschaftlichen und politischen Themen, verweist symbolisch und metaphorisch auf die Auswirkungen von Machtsystemen. Dass auch die Kirche eine solche mächtige Institution ist, liegt auf der Hand.

Signalgeber

Das Schallpendel aus vier Basslautsprechern vereinnahmt den Raum und den Besucher völlig, sowohl in seiner körperhaften Präsenz als auch mit der Schwingung. Die von ihm ausgehende stehende Schallwelle, eine Sinus-Frequenz, interagiert mit der zweiten Arbeit im Kirchenschiff, der kreisförmigen Anordnung von (nicht zufällig) 28 Marschtrommeln. Sie fungieren als symbolische Signalgeber, geben computergesteuert den Befehl „Auf in den Krieg“. Was, wenn der Raum nicht einfach ein Raum wäre, sondern ein Land? Dem Klang kann man sich nicht entziehen und nicht entkommen. Es sei denn, man verlässt den Raum. Lärm bedeutet Gefahr. Der Klang und die Dauerbeschallung werden zur Waffe, zum Mittel der Unterdrückung, wie sie von totalitären politischen Systemen benutzt werden. Der Sound ist eine Skulptur, aber hat nichts Physisches. Diese Nicht-Erfassbarkeit der Installation, weder im Bild noch als Aufnahme zu dokumentieren, stellt für Karl Salzmann den wesentlichsten und intensivsten Aspekt seiner Arbeit dar. Die Wirkung ist einfach nur am Ort, im Raum, zu erleben und zu erfahren, unmittelbar und körperlich, bis zur Unerträglichkeit.

Zur Person

Karl Salzmann

Geboren: 1979 in Bludenz

Ausbildung: Universität für angewandte Kunst in Wien

Laufbahn: zahlreiche nationale und internationale Ausstellungen, u. a. in Graz, Wien, Athen und Bratislava

Wohnort: Wien 

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