So präzise wie ein Uhrwerk

Kultur / 30.05.2016 • 21:07 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Der Vorarlberger Maestro Manfred Honeck ist seit 2008 Chefdirigent des Pittsburgh Symphony Orchestra. Foto: Kulturamt/Mathis
Der Vorarlberger Maestro Manfred Honeck ist seit 2008 Chefdirigent des Pittsburgh Symphony Orchestra. Foto: Kulturamt/Mathis

Manfred Honeck trumpfte mit der Qualität seiner Pittsburgh Symphony auf.

BREGENZ. Zu einem künstlerischen und gesellschaftlichen Ereignis ersten Ranges wurde am Sonntag im ausverkauften Festspielhaus das Debüt des Vorarlberger Dirigenten Manfred Honeck mit seinem Pittsburgh Symphony Orchestra bei den Meisterkonzerten der Stadt. Das weltweit gefeierte amerikanische Toporchester verlieh damit gemeinsam mit dem jungen russischen Klaviersolisten Daniil Trifonov einer diesmal besonders erfolgreich verlaufenen Saison noch den letzten Kick. Die Begeisterung des Publikums über den exzellenten Abend mündete in eine Welle herzlicher Zustimmung, als Honeck coram publico zum Professor ernannt wurde.

Traumhaft gerundet

Gleich mit den ersten Takten von Beethovens berühmter „Coriolan“-Ouvertüre gibt das vielgelobte PSO die Richtung vor. Harte Tutti-Schläge gelingen mit der verblüffenden Präzision eines Uhrwerks, ein Zeichen höchster Konzentration der 85 Musiker, die scheinbar alle auf der Stuhlkante sitzen. Neben solch unglaublicher Perfektion klingt das Orchester nach amerikanischem Muster auch weit glänzender, effektvoller als europäische Klangkörper. Strahlendes Blech dominiert an den wichtigen Höhepunkten und wirkt dennoch nie knallig, das Holz ist traumhaft gerundet, die Streicher klingen wunderbar silbrig und satt.

In Summe ergibt das eine hinreißende Klangkultur von großer Schönheit und Brillanz, getragen und mit unglaublicher Energie ausgestattet durch Manfred Honeck, seit 2008 Chefdirigent und menschlich idealer Partner in einem.

Dazu kommt sein Bemühen, auch zu Bekanntem durch analytische Detailarbeit in der Interpretation einen neuen Zugang zu schaffen, der sich jeder Art von Routine verweigert und bei dem nichts dem Zufall überlassen wird. Ein ideales Exempel dafür hat Honeck diesmal mit Tschaikowskys meist etwas abgedroschen klingender „Fünfter“ im Gepäck, die er im zweiten Teil mit Stellen von packender Orchestervirtuosität zum Aufreger macht. Er balanciert perfekt die architektonischen Proportionen aus, betont Brüche und Aufbrüche und nimmt dem Werk damit auch jene Schwülstigkeit und Beliebigkeit, die man ihm gerne nachsagt. Nicht zuletzt auch dank einer sehr lebendigen Dynamik, die sich bis an die Grenze der nach oben offenen Lautstärkeskala bewegt, aber etwa den langsamen Satz mit dem traumhaften Hornsolo aus dem Nichts herauswachsen lässt. Einfach umwerfend!

Gewissermaßen im Zentrum dann Rachmaninows Klavierkonzert Nr. 2 c-Moll mit dem umjubelten 25-jährigen russischen Solisten Daniil Trifonov. Introvertiert und scheinbar ganz in sich und das Werk versunken, weiß er sich doch mit Honeck und den vielen Solisten an den Pulten eins, was die sehr sinnlich geprägte Wiedergabe dieses romantischen Konzertsaalknüllers betrifft.

Volkslieder

Das gipfelt im Finale zum gemeinsamen Aufrauschen im Soundtrack eines leidenschaftlichen Hollywood-Schinkens, schwelgerisch als großes Kino auf Breitwand. Trifonovs technische Souveränität ist gepaart mit der Fähigkeit zu einer fabelhaften musikalischen Redekunst, aus der heraus Emotionen und Lyrismen wie von selbst entstehen. Auch der Steinway hält, was er verspricht. Den Beifall nimmt der Künstler ungern, aber notgedrungen entgegen. Das Orchester, trotz seiner 14-tägigen Europatournee ganz ohne Ermüdungserscheinungen unterwegs, spielt als Zugabe noch einen Galopp von Khachaturian, garniert mit zwei vom Konzertmeister und der Soloklarinette liebevoll eingefügten Vorarlberger Volksliedern, dem „Ländle“ und „O Hoamatle“, als Reverenz ans Publikum in der Heimat des Dirigenten.

Manfred Honeck leitet am 25. und 26. Juni bei seinem Festival in Wolfegg zwei Konzerte, u. a. mit Mendelssohns Oratorium „Elias“.

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