Wettlauf der Bläser mit dem Solisten

Kultur / 21.08.2016 • 22:33 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Festspielkonzert des Symphonieorchesters Vorarlberg mit dem Pianisten Aaron Pilsan. Foto: BF/Mathis
Festspielkonzert des Symphonieorchesters Vorarlberg mit dem Pianisten Aaron Pilsan. Foto: BF/Mathis

Aaron Pilsan überstrahlte das Festspielkonzert des SOV unter Gérard Korsten.

BREGENZ. Irgendwie war das gestern schon eine besondere Herausforderung für das Symphonieorchester Vorarlberg. Nach drei glänzend gelungenen Orchesterkonzerten der Wiener Symphoniker in diesem Umfeld zu reüssieren, ist kein Spaziergang. Doch da fügte sich diesmal eins ins andere. Ausnahmepianist Aaron Pilsan trumpfte mit Mozart auf, Gérard Korsten bewies einmal mehr seinen Rang als besonderer Mozart-Dirigent. Gemeinsam mit den begeistert mitgehenden Musikern entwickelten sie bei dieser letzten Festspielmatinee der Saison eine Art Mozart-Fieber, das bald auch das Publikum erfasste.

Nicht fehlen darf auch diesmal ein Stück Neuer Musik, wie es inzwischen bei den Orchesterkonzerten der Festspiele zum Bestandteil gehört und vom Publikum nicht nur geduldet, sondern auch mit Interesse beachtet und diskutiert wird. Mit einem Werk des Tschechen Miroslav Srnka wird auf dessen aktuelle Kammeroper „Make no noise“ auf der Werkstattbühne verwiesen. Seine „Eighteen Agents“ als österreichische Erstaufführung werden als „musikalische Schwarmbewegung“ bezeichnet. Tatsächlich wirkt diese Partitur, bei der jeder der 19 Streicher quasi als Solist seine eigene Stimme spielt, in ihren klanglichen Bewegungsabläufen wie ein aufgescheuchter Bienenschwarm, bei dem Motive durch die Reihen gereicht und in minutiöser Abstimmung aufeinander bezogen werden. Das ergibt faszinierende Effekte in sirrenden Klangflächen. Nach etwa zwei Dritteln des 15-minütigen Werks ist freilich alles gesagt, den Rest hätte man sich sparen können. Das SOV mit Korsten hat sehr viel Arbeit in dieses fordernde Werk investiert und damit wieder einmal seine Kompetenz auch in diesem Bereich eindrücklich zur Schau gestellt.

Kleinere Einbußen

Danach ist der Fokus auf Aaron Pilsan gerichtet, den aus Dornbirn stammenden 21-jährigen Pianisten, dessen unglaublich frühe internationale Karriere bereits in Soloauftritten bei den Festspielen und Konzerten mit dem SOV ihren Niederschlag gefunden hat. Gemeinsam war dies hingegen eine Festspiel-Premiere. Mozarts wenig bekanntes F-Dur-Konzert KV 459 von 1784 bietet allen Beteiligten eine Fülle von Entfaltungsmöglichkeiten, die von Pilsan erstmals deutlich in der überragend gespielten Kadenz des ersten Satzes genutzt wird. Untadelig und unaufgesetzt, mit größter Natürlichkeit zelebriert er diese Musik im Geiste Mozarts, horcht immer wieder ins Orchester hinein, mit seinem jungenhaften Charme von vornherein ein Liebling des Publikums.

Nach einem etwas zu behäbigen zweiten Allegretto-Satz befeuert Korsten dann seine Musiker zu einer Art Wettlauf zwischen den Bläsern und dem Solisten, der hier alles an mitreißender Virtuosität ins Spiel wirft und ein sprachlos staunendes Publikum hinterlässt. Ein Parforceritt, der freilich auch kleinere Einbußen im Zusammenspiel fordert. Wirklich störend aber ist der stumpfe Klang des betagten „Steinway“ im Festspielhaus, durch den der Klavierpart gegenüber dem Orchester oft deutlich ins Hintertreffen gerät, was nicht am Pianisten liegt. Dass fast der halbe Saal nach jedem Satz zu klatschen beginnt, ist auch bei einem relativ unbekannten Werk wie diesem eine Peinlichkeit. Es gibt doch Einführungen und Programme! Pilsans stürmisch verlangte Zugabe stammt vom Kollegen Fazil Say und klingt so, also ob Erroll Garner Mozarts „Alla turca“ improvisieren würde.

Danach verebbt der Pegel der Begeisterung wieder etwas, denn die abschließende Symphonische Fantasie „Aus Italien“ von Richard Strauss, die man als Analogie zu den italienischen Opern im Haus und am See gewählt hat, reißt niemanden mehr von den Sitzen. Sein 50-minütiges Opus 16 ist nicht viel mehr als das bemühte Jugendwerk des 22-Jährigen und in seinen Landschaftsbildern mit unüberhörbaren Längen weit entfernt von seinen späteren Meisterwerken.

Das SOV und Korsten machen das Beste daraus, lassen viele schöne Soli aufblitzen. Die Farben dieses Orchesterporträts erstrahlen und bringen das Werk mit dem feurigen letzten Satz über das Volkslied „Funiculi-Funicula“ zum berauschenden Abschluss.

Hörfunkwiedergabe des Konzerts: 26. August, 19.30 Uhr, Ö1