Überraschungspotenzial ausgespielt

Aaron Pilsan überzeugte bei der Schubertiade mit etwas anderem Programm.
Hohenems. Wo Schubertiade drauf steht, da soll auch Schubert und seine Zeit bzw. sein Wirkungsradius drin sein. Mit Bedacht auf allerhöchste Qualität und mit entsprechender Kenntnis, für die Geschäftsführer Gerd Nachbauer steht, hat das bereits über 40 Jahre bestens funktioniert. Das Festival ist nicht nur Plattform etablierter Künstler aus dem Bereich Lied und Kammermusik, es bietet auch die Möglichkeit, einen besonderen Werdegang zu verfolgen. Exemplarisches Beispiel dafür ist der Pianist Aaron Pilsan (geb. 1995 in Dornbirn). Mittlerweile ein Mitglied der Klassikszene, baten ihn sowohl die Bregenzer Festspiele als auch die Schubertiade immer wieder aufs Podium. Zuletzt beeindruckte er das Publikum im Hohenemser Markus-Sittikus-Saal mit einem besonderen Programm. George Enescu (1881–1955) sei er vor etwa acht Jahren begegnet, erzählte der mittlerweile in Hannover lebende Vorarlberger den VN. Nicht die rumänischen Wurzeln seines Vaters waren ausschlaggebend, sondern ein Konzertgastspiel.
Kompetent-spannend
Die Klaviersuite Nr. 3, op. 18, der Französischen Suite in d-Moll, BWV 812, von Johann Sebastian Bach folgen zu lassen, erwies sich als hervorragende Idee. Wurde Pilsans Präzision schon hier auf das Schönste durch Lockerheit und Leidenschaft ergänzt, so kamen diese Aspekte bei Enescu im Besonderen zum Ausdruck. Und nicht nur das, den Vortrag vor dem gemeinhin kompetenten Schubertiade-Publikum mit einer Werkeinführung zu versehen, entspricht nicht der vorherrschenden Dramaturgie bei diesem Festival, wer das aber mit so viel Natürlichkeit, Authentizität, Wissen und echtem Musikvermittlungsengagement bzw. mit kompetent-spannenden Erläuterungen und Musikbeispielen durchzieht, stößt auch hier auf Anerkennung und Dankbarkeit. Jedenfalls hörte man in der anschließenden Pause nicht selten die Bemerkung, dass dieser Enescu durchaus etwas hat und dass man angenehm überrascht sei. Und zwar von der Dichtheit der themenbezogenen Sätze und von den französischen Einflüssen, die Pilsan mit großer Luzidität zu vermitteln wusste. Das letzte der „Pièces impromptues“, nämlich „Carillon nocturne“, würde ihn gar an Messiaen erinnern, bemerkte er im anschließenden VN-Gespräch.
Ein großes Werk, nämlich Schuberts Sonate in c-Moll, D 958, beendete den offiziellen Teil des Konzertes, nach dem sich das Publikum noch ein paar Hineinhörer in die „Deutschen Tänze“ erklatschte und erjubelte. Im ersten öffentlichen Auftritt mit der großen Sonate erwies sich Pilsan jedenfalls als Interpret, der den eigentlichen Herausforderungen, die er selbst im raschen Bilder- und Charakterwechsel sieht, nicht nur absolut gewachsen ist, das Publikum erlebte einen Pianisten, der seiner technischen Brillanz eine gehörige Portion an Emotionalität beifügt. Bemerkbar wurde dies unter anderem durch die souverän-subjektive Tempobehandlung, mit der sich Pilsan in den Kreis bedeutender Schubert-Interpreten zu reihen beginnt.
Der Vorarlberger tritt demnächst mit seinem Cellisten-Kollegen Kian Soltani in Berlin auf, gibt dann Konzerte in Liechtenstein, arbeitet mit dem Pianisten András Schiff (der bei der Schubertiade Meisterkonzerte gibt) und dem Komponisten Thomas Larcher und sieht einer Konzerttournee mit Stationen in Italien entgegen.
Ich bin vor rund acht Jahren auf George Enescu gestoßen.
Aaron Pilsan
Rundfunkübertragung des Schubertiade-Konzertes am 9. Mai, 19.30 Uhr, Ö1. Pilsan als Solist am
16. und 17. Mai im SAL in Schaan.