Vom Skifliegen, der Libido und was Österreich ausmacht

Lauda, Innauer und Kreisky: Selbstironie bewahrt Wolfgang Mörth vor der Klischeefalle.
Bregenz Die Babyboomer-Generation, also jene Angegrauten, die ihre Kindheit oder Jugend in den 1970er-Jahren durchlebten, war gestern Abend bei der Uraufführung des Stücks „Die Ermordung Bruno Kreiskys“ von Wolfgang Mörth gut vertreten. Aber auch jene, die Nutznießer des damals erfolgten gesellschaftlichen Wandels geworden sind, wurden im Bregenzer Theater Kosmos gesichtet. Nachvollziehen, wie das wirklich war in den Schlaghosen und auf Plateausohlen bei endlich gleichen Bildungsmöglichkeiten für Mädchen und Burschen, steht freilich nicht direkt auf dem Spielplan. Mörth, selbst Jahrgang 1958, sind in erster Linie Ironie und Selbstironie eigen, mit Klischees und Mythen spielt der Vorarlberger Autor gern, Selbstmitleid, Larmoyanz oder gar Anklagendes versteht er zu vermeiden. Beides passiert ihm nicht, das weiß man spätestens seit seinem Stück „Urologie“, mit dem er höchst erfolgreich gegen Ängste sowie verletzten Stolz, aber auch gegen die durchaus noch verbreitete Hierarchie-Akzeptanz anschrieb.
Vom Unterleib in den Kopf
Ein weiteres Werk sollte folgen, wobei sich die Verlagerung des Hauptaugenmerks vom Unterleib in den Kopf auch dann nicht konsequent durchziehen muss, wenn der Name eines bedeutenden österreichischen Politikers, nämlich des Bundeskanzlers Bruno Kreisky (1911-1990) schon im Titel steht. Rainer und Hans, beide 57 Jahre alt, haben zwar den beruflichen Aufstieg hinter sich, während der eine, der Psychologe Rainer, ganz altersgemäß am analytischen Tun zu zweifeln beginnt, kippt beim anderen, dem Lehrer und Schriftsteller Hans, die Welt ins gänzlich Irreale. Ein Sturz beim Skifliegen, mit dem er – gut, wir sind hier absolut im Bereich der Komödie – einer 25-jährigen Journalistin seine Steherqualitäten beweisen will, bringt sein Erinnerungsvermögen durcheinander. Hans glaubt, dass Bruno Kreisky im Frühjahr 1979, also noch vor seinem großen Wahlsieg, ermordet wurde und Zwentendorf zumindest für kurze Zeit in Betrieb gegangen ist.
Was wäre wenn, ist nicht die Frage, die Mörth stellt. Von Regisseur Augustin Jagg gut aus dem Text herausgekitzelt, werden hier zeithistorische Tatsachen, die positiven wie die weniger positiven, mit dem Privaten von damals und heute verwoben.
Ménage à trois
Festgemacht ist es an einer Ménage à trois und akzentuiert mit Mythen, und zwar nicht typisch österreichischen, aber hier zumindest starken Phänomenen, zu denen auch das Feiern von Ski- und Rennstars gehört, was Mandy Hanke in ihrem Bühnenbild mit Sprungschanze, Freudscher Couch und einem Tennisfeldrasen bestens unterstreicht. „Eine Frau ist in der Lage, männliche Dummheit drastisch zur Geltung zu bringen“, meint Rainer da einmal. Wenn es Hubert Dragaschnig sagt, ist es viel mehr als ein Witz und wenn er sich dann mit dem auch im Imitieren grandiosen Bernd Sracnik (Hans) balgt, weht etwas vom unsterblichen „Seltsamen Paar“ herein. Gerade so viel wie es sein darf, damit das zum Tragen kommt, was Mörth gut beherrscht, nämlich ein Stück mit vielen Schichten zu entwerfen, witzigen wie tragischen, komischen wie ernsten. Eine Frau lässt er die Stränge zusammenführen, Michaela Spänle tariert die beiden Kraftlackel bestens aus. Nostalgie wäre fehl am Platz gewesen, sie bleibt draußen, auch wenn das am Ende heftig applaudierende Publikum einmal spontan einen Lennon-Song weitersingt. Dragaschnig kann Sogwirkung erzeugen und er weiß, wie viel davon einem Stück gut tut.
Nächste Aufführung am 7. Oktober, 20 Uhr, im Theater Kosmos in Bregenz. Weitere Termine bis 28. Oktober: www.theaterkosmos.at