Die Schmutzkübelkampagnen der Machos

Kultur / 06.10.2017 • 22:52 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Die österreichische Erstaufführung von „Unter Verschluss“ von Pere Riera fand gestern Abend im Bregenzer Kornmarkttheater statt. LT/Köhler
Die österreichische Erstaufführung von „Unter Verschluss“ von Pere Riera fand gestern Abend im Bregenzer Kornmarkttheater statt. LT/Köhler

Eine gewisse Aktualität hat die gestrige Landestheaterpremiere, aber auch viel Ärgerliches.

Bregenz Obwohl es schon vor einigen Jahren ins Deutsche übersetzt und von mehreren Bühnen in Deutschland gespielt wurde, ist das Stück „Unter Verschluss“ des katalanischen Autors Pere Riera (geb. 1974) noch nicht nach Österreich hereingeschwappt. Das Vorarlberger Landestheater konnte am gestrigen Abend am Bregenzer Kornmarkt somit nicht nur eine Erstaufführung anbieten, Ereignisse vor dem Nationalratswahltermin am nächsten Sonntag verleihen ihm zudem eine gewisse Aktualität.

Bloß gehobener Boulevard

Zumindest auf den ersten Blick, denn bei näherem Hinsehen ist „Unter Verschluss“ lediglich dem Genre des gehobenen Boulevards zuzuordnen. Auch wenn eine Schmutzkübelkampagne im Raum steht und Fotografien von einem Politiker – hier ist es gar ein Staatspräsident bzw. ein Regierungschef – auftauchen, mit denen er der Pädophilie überführt werden könnte, geht es um die hohe Kunst der Schlagfertigkeit, die ein Autor beherrscht bzw., die er seinen Figuren angedeihen lässt.

Um Glaubwürdigkeit hat sich Pere Riera dabei kaum geschert und sein Übersetzer, der süddeutsche Autor Philipp Löhle (geb. 1978), den das Vorarlberger Publikum etwa vom Stück „Wir sind keine Barbaren“ kennt, konnte daran wohl nichts ändern, hat das Machogehabe, das ein Politiker gegenüber einer Journalistin im Rahmen eines Interviews an den Tag legt, einfach hingenommen. Interessanterweise hat sich auch Regisseur Maik Priebe (geb. 1977) nicht daran gestört. Der Deutsche, für den laut Biografie Marthaler und Zadek prägend waren und der erstmals am Vorarlberger Landestheater auftritt, geht sogar noch weiter und lässt seine Journalistin nicht nur viel zu rasch die Beherrschung verlieren, wenn der Politiker eine Vergewaltigung abstreitet, weil die Vierzehnjährige mit den sexuellen Handlungen einverstanden gewesen sei, schreit sie auf, um am Ende schließlich zusammenzubrechen.

Ärgernisse

Und nun zu weiteren Schnitzern. Während es in Deutschland und Österreich wohl Konsens darüber gibt, dass Politiker Journalistinnen nicht mit dem Vornamen anzusprechen haben, wehrt sich Silvia Utgés, so der Name der Interviewerin im Stück, erst gegen das baldige Duzen. Und gegen die perfide Anmache, eine Einschüchterungsmethode des Pressereferenten, ist sie nicht gewappnet. Judith van der Werff darf somit gerade einmal ein paar Trümpfe ausspielen und hat sonst die Rolle der Unterlegenen zu geben. Eine unangenehme Aufgabe und dieses Unangenehme nimmt dem Theaterabend zunehmend die Spannung, an dem Christoph Jacobi als Präsident und Timo Weisschnur als Pressesprecher gar nicht in Verlegenheit kommen müssen all zu Schmieriges auszuspielen, subtiles Machogehabe ist vom Autor sanktioniert.

Mira Königs Bühne gleicht einem passend kühlen Verhörraum und zur Information zukünftiger Theaterbesucher sei erwähnt, dass das Stück weiters davon handelt, dass die Journalistin den Missbrauch einer Minderjährigen im Interview nicht aufdeckt, sie wird erfolgreich damit erpresst, dass die Öffentlichkeit nichts davon erfährt, dass ihre Teenager-Tochter am selben Tag mit wahrscheinlich ihr untergeschobenen Drogen erwischt wurde. Wie banal.

Nächste Auffürung von “Unter Verschluss” am 10. Oktober, 19.30 Uhr im Theater am Kornmarkt in Bregenz: landestheater.org