Pianist gelingt mit Schubert Halsbrecherisches

Kultur / 06.10.2017 • 20:05 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Mit William Youn ist Gerd Nachbauer ein Glücksgriff gelungen. Schubertiade
Mit William Youn ist Gerd Nachbauer ein Glücksgriff gelungen. Schubertiade

Einspringer William Youn überraschte, Pavol Breslik kämpfte um die „Schöne Müllerin“.

HOHENEMS Mit dem fünften und letzten Teil geht die diesjährige Schubertiade-Saison derzeit zu Ende. Die sieben Konzerte bis Sonntag im Markus-Sittikus-Saal bieten neben Bekanntem auch Debüts, ein unvorhergesehenes gleich beim ersten Konzert am Donnerstag. Mit dem hier noch unbekannten koreanischen Pianisten William Youn als Einspringer für den erkrankten Till Fellner ist Gerd Nachbauer ein Glücksgriff gelungen, der sich als faustdicke Überraschung entpuppte.

Der junge Mann ist ein Kosmopolit, der nach seiner Ausbildung heute als Solist und Kammermusiker bereits weltweit tätig ist und seine Heimat in München gefunden hat. So wie er Schubert spielt, ist Youn auf Anhieb in die Reihe der Großen dieses Genres einzuordnen. Dabei hat er es sich selber gerade als Einspringer nicht eben leicht gemacht mit seinem Programm zwischen der gestalterisch aufwendigen letzten großen B-Dur-Sonate und der technisch herausfordernden „Wandererfantasie“. Dem ersten Werk gibt er ein übersichtliches Gesamtkonzept, gestaltet den Kopfsatz beschaulich, mit großer Sanglichkeit und ausgereifter Anschlagskultur. Das Andante hat man auch schon weit ruhiger und damit spannend bis zum Zerreißen gehört, doch für solche Extreme, bei der die Musik fast stehen bleibt, fehlt Youn in seiner Jugendlichkeit wohl noch der letzte Mut. Dafür fliegt das Scherzo perlend dahin, im Finale packt er erstmals seine Pranke aus und macht die Stretta in Lang-Lang-Manier zum halsbrecherisch gelungenen Trapezakt.

Nach dem As-Dur-Impromptu und dem Schwesterwerk in B-Dur, die Youn mit der notwendigen Gewichtung versieht, stürzt er sich mutig in die „Wandererfantasie“ als Prüfstein für jeden Klaviervirtuosen. Mit kleinen Einbußen gelingt es ihm, neben einem großen Maß an Ausdruckskraft auch die Komplexität der Vorlage klar herauszuarbeiten bis hin zur Schlussfuge, die er zornig in den Steinway meißelt. Das Publikum ist vor Begeisterung aus dem Häuschen. Und als Youn scheu lächelnd gesteht, dass er hier vor zehn Jahren einen Meisterkurs absolviert hat und dieser Auftritt „eine große Ehre“ für ihn ist, hat er auch die Herzen der Zuhörer erobert. Demnächst erhält er für die CD „Mozart with friends“ einen „ECHO-Klassik“, seine Mozart-Zugabe verweist auf Youns Gesamteinspielung von dessen Klavierwerk auf fünf CDs.

Bewundernswerte Leistung

Unter einem weniger guten Stern steht der Abend mit Schuberts erstmals in dieser Saison angesetztem Liederzyklus „Die schöne Müllerin“, der dem slowakischen Tenor Pavol Breslik (38) anvertraut wurde. Sein Debüt von 2014 hat man in bester Erinnerung, doch diesmal wirkt er seltsam angespannt. Ist es eine kleine stimmliche Indisposition, die diese Nervosität ausgelöst hat, oder verhält es sich umgekehrt? Ohne Zweifel besitzt Breslik eine schön ausgebildete lyrische Stimme mit feiner Pianokultur. Auch sein Deutsch ist respektabel und fast ohne Färbung, die Diktion makellos. Doch der Registerwechsel von der Brust- zur Kopfstimme will diesmal oft nicht bruchlos gelingen, kleine Defizite im Tonansatz machen sich bemerkbar. Auch die Pausen zwischen den einzelnen Liedern werden immer länger, während denen er sich vom Publikum abwendet, als wollte er neue Kraft schöpfen. Die Spannung dieses Zyklus, der innere Zusammenhang der Lieder in ihren verwandten Tonarten geht dadurch natürlich verloren.

Als ihm der junge Umblätterer eine Flasche Wasser zur Labung holt, wird das Publikum leicht unruhig, hat Mitleid mit dem Sänger. Doch da bessert sich nun die Situation. Bresliks Ausdruck wird glaubhafter, die berühmte „Ungeduld“ etwa stemmt er mit metallen strahlender Höhe ohne Kopfstimme, und etwa ab der Hälfte der 20 Lieder hat er zur gewohnten Form gefunden und kann vor allem mit den berührend gestalteten drei letzten Gesängen punkten, die nun auch die Zuhörer überzeugen. Rückblickend jedenfalls eine bewundernswerte Leistung, wie Pavol Breslik seine Probleme konsequent in den Griff bekommen hat. Ein verständnisvoller und präsenter Gefährte auf diesem Weg ist ihm sein Klavierbegleiter Amir Katz. JU

Hörfunkwiedergabe Klavierabend Youn: 10. Oktober, 19.30 Uhr, Ö1

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