Sesselkleber und politische Unkultur

Kultur / 12.10.2017 • 19:01 Uhr / 4 Minuten Lesezeit

Wenn Politik und Kultur aufeinandertreffen, spricht man gerne von politischer Kultur.

Doch gerade wenn man von politischer Kultur spricht, hat das meist wenig mit Kultur und noch weniger mit Kunst zu tun.

Weder von politischer Kultur noch von Kultur und Kunst kann die Rede sein, wenn Peter Pilz und Wolfgang Zinggl gemeinsam zu einer Wahl antreten.

Zur politischen Kultur einer funktionierenden Demokratie gehört es nun einmal, Wahlergebnisse zu akzeptieren, auch wenn diese nicht zum eigenen Vorteil ausfallen.

Peter Pilz und Wolfgang Zinggl, beide in die Pensionsjahre gekommene Veteranen der Grünen, wurden in basisdemokratischer Vorwahl aufgrund eines Wahlsystems, das Pilz über all die Jahre guthieß, von der grünen Parteibasis ausrangiert und aufs politische Abstellgleis gestellt. So weit, so demokratisch. Wenn nun die gekränkte Politprimadonna da gleich eine Partei aus dem Hut zauberte, widerspricht das klar seiner Aussage, dass er eine demokratische Wahl verloren und das “respektiert“ habe. Aber wie heißt es so schön frei nach Adenauer: „Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern.“

Um antreten zu können, gab er sich gleich großzügig seine eigene Stimme und erhielt zudem die des von den Grünen ebenfalls gefeuerten Kultursprechers Wolfgang Zinggl.

Quod licet iovi, non licet bovi. Nobel jedoch ist anders. Pilz wäre der Erste gewesen, der das als Skandal bezeichnet hätte, war er doch einer, der in seinem langen politischen Leben von den Skandalen anderer profitierte. Seine politische Bilanz liest sich wie eine Chronologie der Skandale der letzten 30 Jahre, nicht weniger, aber leider auch nicht mehr.

Dass ein gut bezahlter Abgeordneter in einer billigen Gemeindewohnung logiert, ließ sich ebenso mit seinem sozialen Gewissen vereinbaren wie der Umstand, dass bei aller Skandalisiererei Menschen auch zutiefst unrecht getan wurde. Als Bruder im selben Ungeist erwies sich da sein Kompagnon Wolfgang Zinggl, der sich weder genierte als Vorsitzender des Kuratoriums des Museums Moderner Kunst in krasser Unvereinbarkeit zu seinem Mandat zu werkeln, noch seine Gründung „Wochenklausur“ zu protegieren und Vorträge dafür zu halten. Offenkundig stellten sich auch die Grünen bei seiner Abwahl die Frage, ob bei all der Vernaderung durch Zinggl eine konstruktive Kulturpolitik nicht längst schon auf der Strecke geblieben ist.

Der Kunsthistoriker Dieter Schrage, grünes Urgestein, brandmarkte kurz vor seinem Tod in einem Artikel Wolfgang Zinggl aufgrund seiner kulturpolitischen Winkelzüge und Diffamierungskampagnen: „Ein Scharfrichter ist noch kein Kulturpolitiker.“ Anstelle legitimer Kritik von Institutionen und Personen sowie der notwendigen Aufdeckung von Ressourcen- und Machtmissbrauch ist im Falle Pilz und seines Lehrlings längst nur mehr die Instrumentalisierung von Politik für die Perpetuierung der eigenen politischen Existenz und die Sicherung der parlamentarischen Apanagen getreten. Da mutet die Aussage von Pilz: „Bei uns sind die Personen Programm“, wie eine gefährliche Drohung an.

„Pilz und Zinggl wurden aufgrund eines Wahlsystems, das Pilz über all die Jahre guthieß, von der grünen Parteibasis ausrangiert.“

Gerald Matt

gerald.matt@vn.at

Dr. Gerald Matt ist Kulturmanager und unterrichtet an der Universität für Angewandte Kunst in Wien.