Wegbereiter für die Neue Musik im Land

Kultur / 25.10.2017 • 19:45 Uhr / 6 Minuten Lesezeit
Gerold Amann mit zwei seiner Schüler, nämlich Michael Floredo (l.) und Gerald Futscher. JU
Gerold Amann mit zwei seiner Schüler, nämlich Michael Floredo (l.) und Gerald Futscher. JU

Gerold Amanns 80. Geburtstag aus der Sicht seiner Nachfolgegeneration.

SCHLINS „Ich bin eine Ausgeburt des Teufels“, meint er scherzhaft, wenn er auf seinen Geburtstag genau an Halloween angesprochen wird. Am 31. Oktober 1937 kam Gerold Amann zur Welt – zu einer Zeit, da bei uns noch nie jemand etwas von diesem Brauch gehört hatte. Letztlich hat dieser Tag mit seinen Dämonen, Geistern und Gebräuchen aber doch sein Schaffen mitbestimmt. Das „Nachtvolk“, Juchzer, Vogelstimmen, Naturlaute, Umweltgeräusche und Maschinen – genau beobachtete Schallereignisse, oft in verzögerter Wiedergabe, haben stets seine Musik geprägt.

Der bevorstehende 80. Geburtstag ist eine gute Gelegenheit, Bilanz zu ziehen über all das, was Gerold Amann als ideenreicher Komponist und Erfinder großer Freilichtspiele im Land bisher zu bewegen vermochte. Als Vordenker und „Enfant terrible“ der Szene war er auch der unbequeme Stachel im Fleisch allzu saturierter Kulturpolitik, der er mit sarkastischen Werken wie „O Holding Kunst“ (1999), „Das Albtraummännlein“ (2001) – angesichts der damaligen schwarz-blauen Regierung – oder „Ö! Zur Lage der Kulturnation“ (2007) ordentlich die Leviten las.

Amann hat als Pionier und Wegbereiter der Neuen Musik im Land mit seiner Persönlichkeit und durch die Wirkkraft seiner Musik aber auch eine ganze Generation jüngerer Komponisten zu begeistern und mitzureißen vermocht. Dazu gehört der Altacher Komponist und Organist Michael Floredo (50), einer seiner Kompositionsschüler am Landeskonservatorium, den bis heute mit Amann eine Art Vater-Sohn-Verhältnis verbindet. Die anderen Vertreter der schöpferischen Neuen Musik im Land, die hier zu Wort kommen, sind als seine Schüler am Bundesgymnasium Bludenz, über Aufführungen seiner Werke oder in Gesprächen in seinen Dunstkreis gelangt.

Ein Mutmacher

Der türkischstämmige, in Klaus lebende Murat Üstün (58) etwa ist Amann heute unglaublich dankbar, weil er ihm in seinen Anfangsjahren Mut gemacht hat, auf seine eigenen kompositorischen Gedanken und den eigenen Ausdrucksstil zu vertrauen. Ähnlich ist es bei der heute in Wien lebenden Johanna Doderer (48), die vor allem mit ihren Opern reüssieren konnte. Nach einem ersten Kompositionsunterricht zählt sie Gerold Amann heute zu ihren wichtigsten Lehrmeistern. Der in Niederösterreich auch als Konzertveranstalter wirkende Johannes Wohlgenannt Zincke (58) erinnert sich an das legendäre Freilichtspiel „Goggalori“ auf der Burgruine Jagdberg in Schlins, das ihn in seinem Selbstverständnis geprägt hat. Es war der Grundstein für eine neue Art von Laienspiel, mit dem Amann Mitwirkende mobilisiert und die Zuhörer fasziniert und damit Aufführungsgeschichte geschrieben hat. Es folgten in enormer Schaffenskraft zehn weitere Stücke dieser Art bis zu den 2014 und 2016 aufgeführten „Vögeln“ nach Aristophanes. Das spektakulärste davon war „Triungulus“ (1994) mit kämpfenden Baggern im Steinbruch von Hohenems. „Formicula“ (2002) um einen Ameisenstaat hat dem in Götzis lebenden Gerald Futscher (55) unvergessliche Eindrücke von Amanns Fantasie im Musiktheater beschert.

Prägend

Der prominenteste Name in dieser Reihe ist Georg Friedrich Haas (64), gebürtiger Grazer, im Montafon aufgewachsen und heute Universitätsprofessor in New York, der mit seinen mikrotonalen Werken international Aufsehen erregt. „Gerold Amann ist eine ganz wichtige Person, der Entscheidendes geprägt und mir klar gemacht hat, was Musik bedeutet“, gibt er im Gespräch mit Musikexpertin Silvia Thurner zu Protokoll. „Amann hat im Unterricht einen Akkord angeschlagen und uns auf das Wechselspiel der Schwebungen und der Harmonik hingewiesen. Das war für mich ein Schlüsselpunkt, durch den mir vieles für meine spätere Musik klar wurde.“ Und Gerold Amann selbst? Er ist altersweise abgeklärt, will sich zu seinem 80er nicht mehr äußern. Nur kompositorisch ist er noch aktiv. Und alles, was er zu sagen hat, ist in seiner Musik ausgedrückt.

Konzerte zum 80. Geburtstag von Gerold Amann

29. Oktober, 17 Uhr, Pfarrkirche Bludesch – Uraufführung „Exitus“ (Bruno Oberhammer, Orgel)

 

12. November, 10.30 Uhr, ORF Dornbirn – „Gibbongesänge“, „Die Gottesanbeterin“, „Alemannische Urviecher“ (u. a. mit Gunter Schneider, Barbara Romen, Evelyn Fink-Mennel, Ulrich Gabriel, Anna Adamik)

 

Hörfunksendung 31. Oktober, 23 Uhr, Österreich 1: Mitschnitt des Geburtstagskonzerts für Gerold Amann vom 27. Juli im Vorarlberg Museum Bregenz (Wiener Concert-Verein)

Zur Person

Gerold Amann

Geboren 31. Oktober 1937 in Schnifis

Ausbildung Klavier bei Ferdinand Andergassen, Komposition und Lehramt an der Universität Graz, Studium der Psychologie

Tätigkeiten 1962 bis 1997 Professor für Musik und Philosophie am Gymnasium Bludenz, 10 Jahre Professor für Komposition und Formenlehre am Landeskonservatorium Feldkirch; zahlreiche Kompositionen für Kammermusik, Orchester, Chor und Blasmusik sowie Musiktheater, Gebrauchsmusik für Freunde

Aufführungen Forum Feldkirch, Bregenzer Festspiele, Musikprotokoll Graz, in Wien, Salzburg, Rostock, Helsinki, Malmö, Kreta, Kiew, den USA und China

Familie Gattin Bärbl, drei Kinder, vier Enkel

Wohnort Schlins