Aus vier Jahreszeiten wurden gleich acht

Alpenarte-Festival ist auf dem Weg zur eigenen Identität.
SCHWARZENBERG Vorarlbergs jüngstes Festival alpenarte macht im Moment noch eine Art Findungsprozess nach der eigenen Identität durch. Das zeigte sich beim Eröffnungskonzert der Herbstsaison am Donnerstag im gut besuchten Angelika-Kauffmann-Saal, wo es auf der Basis eines hervorragenden musikalischen Niveaus mit jungen, top ausgebildeten internationalen Künstlern im Hintergrund nur noch Abstimmungsprobleme über Abwicklung und Präsentation gibt.
Das Eröffnungskonzert offenbarte auch das Risiko der an sich reizvollen Projektidee, tolle, aber in künstlerischen Fragen der Darbietung oft noch recht unerfahrene junge Künstler ohne Sicherheitsnetz als „Intendanten in Residence“ mit der Ausrichtung einer ganzen Saison zu betrauen. Der russische Geiger Yury Revich (26) will in dieser Funktion am ersten Abend das Thema „Vier Jahreszeiten“ auf unkonventionelle Weise deuten. Doch die interessante Verschränkung von Teilen aus Tschaikowskys romantischem Klavierzyklus „Die Jahreszeiten“ mit der vierhändigen Reihe „Scenes of the Seasons“ des amerikanischen Zeitgenossen Jeff Manookian, alles wunderbar ausgeleuchtet von dem Franzosen François-Xavier Polzat und dem Armenier Levon Avagyan, war Revich nicht genug. Er wollte den Zuhörern mit Filmzuspielungen von Landschaften in den Jahreszeiten eine weitere Dimension eröffnen. Musik bedarf für ihre Wirkung grundsätzlich keiner zusätzlichen Visualisierung. Diese war besonders peinlich, da die Bilder total unkoordiniert über die Leinwand flimmerten: zum „Sommer“ eine tief verschneite Winterlandschaft, zum „Herbst“ blühende Bäume. Anstelle eines vertieften Eindrucks erreicht der Intendant damit das genaue Gegenteil, nämlich Ärger beim Publikum.
Ein Virtuose
Die Chance, diesen Faux-pas selber durch besondere musikalische Leistung wettzumachen, lässt sich Yury Revich nicht entgehen. Auf seiner „Prinzessin Aurora“ genannten Stradivari zeigt er sich gemeinsam mit Levon Avagyan am Klavier in den halsbrecherischen „Carmen“-Variationen von Pablo de Sarasate als ein mit allen Wassern gewaschener Virtuose und kann damit das zuvor etwas verstört wirkende Publikum erstmals aus der Reserve locken. Auch nach der Pause nimmt das Programm weiter Fahrt auf. In zwei Tangos von Astor Piazzolla fällt neben Revich auch das hinreißende Duo Aliada auf – mit den beiden Musikern Michal Knot, Saxophon, und Bogdan Laketic, Akkordeon, die durch ihre temperamentvolle und melancholische Spielweise genau den Nerv dieser Musik treffen. Zum gefeierten Highlight des Abends wird eine Bearbeitung von Yury Revich mit dem Titel „Acht Jahreszeiten“, in der er auf geniale Weise Vivaldis berühmten Zyklus mit Stilelementen von Piazzollas Tango nuevo ineinander verwoben hat und dafür 2016 als Nachwuchskünstler mit dem „ECHO Klassik“ ausgezeichnet wurde.
Auszeichnung für neuen Leiter
Übrigens: Sowohl der in Liechtenstein wohnhafte Musikmanager Drazen Domjanic als „Geburtshelfer“ und künstlerischer Leiter wie auch der Schwarzenberger Unternehmer Hans Metzler als Geschäftsführer bestätigten unisono, es sei von vornherein klar gewesen, dass Domjanic seine Funktion nicht über die volle Zeit des zunächst auf vier Jahre angelegten Festivals ausüben würde. Er sei mit seinem bereits mehrjährigen erfolgreichen Festival „Next Generation“ in Bad Ragaz und zahlreichen weiteren Aktivitäten in Liechtenstein ausgelastet. Da man nun mit dem deutschen Klarinettisten Sebastian Manz früh auf einen versierten Nachfolger gestoßen sei, endet die Ära Domjanic bereits Ende dieser Herbstsaison. Er wird dem Festival aber weiter in beratender Funktion zur Seite stehen.
Der neue Leiter Sebastian Manz wird am Sonntag bereits zum dritten Mal mit dem renommierten ECHO-Klassik ausgezeichnet. Vor rund einem Jahr gastierte er als Solist des Symphonieorchesters Vorarlberg im Land und hat mit einem Weber-Konzert sehr beeindruckt.
Weitere Konzerte des Festivals in Schwarzenberg: 28. Oktober, 17 Uhr „Angels & Demons“; 29. Oktober, 17 Uhr „Beethoven – Pas de Deux – Piazzolla“