Das Wort macht das Bild

In der Villa Claudia setzt Fotograf und Konzeptkünstler Guntram König auf Vielfalt.
FELDKIRCH Die durchschnittliche Verweildauer vor einem Kunstwerk beträgt gerade einmal fünf bis elf Sekunden, wenn man der Studie des Kunsthistorikers Wolfgang Kemp Glauben schenkt. „Verweile in Eile“ lautet der ironische Kommentar von Guntram König dazu und ist eine von über 40 Arbeiten aus der aktuellen Ausstellung des Vorarlberger Künstlers in der Villa Claudia in Feldkirch.
Unter dem Motto „Diversität“ versammelt der Querschnitt, als Erweiterung der Ausstellung im Studio Drehpunkt vom vergangenen Jahr, schwerpunktmäßig Werke aus den letzten drei Jahren. Dazu gesellen sich Fotoarbeiten aus den 1990ern sowie Ausschnitte aus der fortlaufenden Wolford-Serie. Sowohl thematisch als auch formal gemeint, umfasst „Vielfalt“ konzeptuelle Arbeiten, visuelle Poesie, skurrile Fundstücke aus dem Alltag, neodadaistische Ansätze und Objektkunst, C-Prints, digitale Grafiken, Tintenstrahldrucke, Installationen aus verschiedenen Materialien und Fotoarbeiten. Die schnellen Medien Computer und Fotografie und die damit einhergehende moderne Technologie, mit der Guntram König bevorzugt arbeitet, erlauben nicht nur eine entsprechend rasante Umsetzung. Weniger auf das Entschlüsseln von (gemalten) Bildern angelegt, setzt der Künstler vielmehr auf sprachliche Elemente, die in ihrer schnellen Entzifferung zuweilen in größtmöglichem Kontrast zur Tiefe der angeregten Gedanken stehen. Guntram König agiert unmittelbar an einer Schnittstelle, an der Sprache und Worte zum formbaren, auch ästhetischen Material werden. In der Fotografie sind es Schattenbilder oder bewusst herbeigeführte Unschärfen, die eine neue Wahrnehmung des Mediums ermöglichen. „Der Tod der Anschauung ist die Auferstehung der Sprache“ – der vor mehr als hundert Jahren getätigte Satz des Philosophen Theodor Meyer, den König seiner Ausstellung vorausschickt, verdeutlicht, worum es im Schaffen des Künstlers geht: um den Wettstreit von Bild und Wort.
Botox für die Kunst
Das ist in Zeiten der vielzitierten digitalen Bilderflut durchaus ein Thema, ebenso wie das Verhältnis zwischen Betrachter und Kunstwerk und die Frage nach dem Stellenwert des Bildes in der Gegenwart. In der dreiteiligen Arbeit „Schau-nicht-hin-Bild“, „Nimm-nicht-wahr-Bild“ und „Denk-nicht-nach-Bild“ hinterfragt Guntram König die bewusste Aufmerksamkeit, die Mangelware geworden ist, und fordert andernorts, analog zur Slow-Food-Bewegung, einen „Slow Look“. Aber allzu langes Verweilen scheint auch nicht gewünscht, oder was sonst ist gemeint, wenn es auf einer Arbeit heißt: „Bitte zum nächsten Bild weitergehen“.
Mit Ironie und subversivem Humor verwandelt der Künstler Spazierstöcke in „Ge(h)hilfen“ aller Art und Art to go, oder bringt, hintersinnig kommentiert und nach der Konstruktion der Wirklichkeit fragend, schillernde social bubbles mit Blasenschwäche zum Platzen. Dass Guntram König der Konzeptkunst auch schon einmal Botox verordnet, Kunst-fremde Begriffe einschleust oder Aufmerksamkeit durch vier teilt, was „Auf“, „Merk“, „Sam“, „Keit“ ergibt, zeigt bei aller Kritik an herrschenden Verhältnissen auch den spielerischen Zu- und Umgang des Künstlers, der schmunzeln lässt und nachdenklich stimmt zu gleicher Zeit. Nur mit der „Oberflächenveredelung“, einem Begriff bzw. einer Arbeit aus der letzten Ausstellung, müsste sich Guntram König einmal eingehend befassen und den allzu schlichten Computerausdrucken zu etwas mehr Kunstappeal verhelfen. AG

Zur Person
Guntram König
Geboren 1955
in Bregenz
Ausbildung Ausbildung zum Psychologen und Pädagogen, autodidaktische Beschäftigung mit Kunst seit dem 15. Lebensjahr
Laufbahn Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen in Österreich und der Schweiz, Mitglied der Berufsvereinigung bildender Künstler Vorarlbergs, Mitglied von KunstVorarlberg
Wohnort Hard