Ein fast schon biblisches Gleichnis mit sehr viel Witz

Thomas Welte beschreibt eine Frauenfreundschaft und liefert eine starke Uraufführung.
Bregenz Klein mag es Thomas A. Welte (38), der gebürtige Feldkircher, nicht. Obwohl sein jüngstes Werk im Kosmodrom, auf der Foyer-Bühne des Bregenzer Theater Kosmos, uraufgeführt wurde, also dort, wo meist kürzere Texte präsentiert werden, hat „Tanz mit dem Tod“ abendfüllenden Charakter. Das Thema gibt viel her, und die rund 80 Minuten Spielzeit sind vollgepackt mit Handlung und Dialogen. Wer es noch nicht weiß, der merkt es sofort, dass Welte Erfahrung im Drehbuchschreiben hat. Sein Werk „Das Verhör“ über einen Widerstandskämpfer, der seine kritische Haltung zum Nazi-Regime nach dem Krieg beweisen muss, wurde nicht nur vor einigen Jahren vom Theater Kosmos uraufgeführt, es wurde auch verfilmt, und bei Thomas A. Welte handelt es sich zudem um jenen Theaterexperten, der auf dem Muttersberg über Bludenz vor einiger Zeit das Projekt „Shakespeare am Berg“ aufzog, das ob seines Erfolges Sommer für Sommer stattfindet.
Dass er große Themen nicht nur bei der Bearbeitung von Klassikern, sondern auch in eigenen Stücken zu komprimieren versteht, zeigt er nun mit Dornröschen und Anna, den Protagonistinnen von „Tanz mit dem Tod“. Beide Frauen stehen am Ende ihrer Karrieren als Dirigentin und Ballerina, eine davon ist nicht nur Opfer, sondern hat sich – so scheint es beinahe thrillerhaft durch – auch in Schuld verstrickt.
Vielschichtig
Ein Vorhang und ein Krankenbett, das dank der ideenreichen Ausstattung von Mandy Hanke und Nicole Wehinger zum Dach eines Krankenhauses oder zur gefährlichen Fahrbahn wird, reicht aus für die Geschichte, die nach und nach enorme Vielschichtigkeit entfaltet. Auf der Mini-Plattform agieren mit Rebecca Selle (Anna) und Anne Noack (Dornröschen) zwei Schauspielerinnen absolut frei von Larmoyanz und Bitterkeit, die sich rasch breit machen könnte, wenn ein grausamer Unfall oder eine Krankheit die Ausführung einer Tätigkeit behindert, die nicht nur erfüllend war, sondern mit der man auch permanent in der Öffentlichkeit stand.
Als Dirigentin nach und nach das Gehör zu verlieren und als Tänzerin plötzlich mit nur noch einem Bein im Krankenhaus aufzuwachen, während man schon einer „Schwanensee“-Premiere entgegenfieberte, ein solcher Schicksalsschlag kann rasch Gedanken an einen Selbstmord auslösen. Nachdem die beiden jungen Frauen einen gemeinsam gestarteten Sprung vom Krankenhausdach überleben, offenbart sich dem Zuschauer von Minute zu Minute der Subtext, den Thomas A. Welte einfließen ließ.
Freundschaft und Solidarität
Dass die Wahl dieses Auswegs nicht nur Leid verursacht, sondern unter Umständen weitere Opfer nach sich ziehen könnte, bleibt zwar subtil, aber unüberhörbar angedeutet. Und genauso feingliedrig und mit viel Witz durchzogen schildert der Autor das Wachsen einer Frauenfreundschaft und der Solidarität als fast schon biblisches Gleichnis.
Man denkt an Klassiker wie „Harold und Maude“ und stellt erfreut fest, dass Welte, der auch selbst Regie führt, bei Weitem nicht nur auf Rührung setzt. Das Vorhersehbare tritt ein, daneben ist „Tanz mit dem Tod“ aber auch ein spannender Krimi, der nicht alle Fragen beantwortet und das Publikum in angeregter Stimmung entlässt. Es hat nicht weh getan, es hat Spaß gemacht und ist trotzdem ans Eingemachte gegangen.
Weitere Aufführung des Stücks „Tanz mit dem Tod“ am 4. November, 20 Uhr im Kosmodrom des Theaters Kosmos in Bregenz.