70.000 oder noch mehr

Kunsthaus widmet sich 2018 der Fiktion und ist – in echt – anziehend wie kaum zuvor.
Bregenz Zuweilen war das Haus so voll, dass der eine oder andere am Vorplatz nach Kühlung suchte. Und dieser Zustand beschränkte sich nicht nur auf das Wochenende im Sommer, als die Kunsthaus-Leitung zum 20-Jahre-Jubiläum lud. In der Ausstellung von Adrián Villar Rojas konnte es auch schon einmal eng werden, und seit Direktor Thomas D. Trummer gemeinsam mit dem Architekten Peter Zumthor das Motto „Dear to me“ ausgerufen hat, ist ständig etwas los. Zum jetzigen Zeitpunkt, also Anfang November, geht man davon aus, dass bis Ende des Jahres rund 70.000 Besucher zu zählen sind, womit das Kunsthaus Bregenz wieder so anziehend ist wie kaum zuvor.
Und das, obwohl sich der Österreicher Thomas D. Trummer, der die Leitung im Frühjahr 2015 übernahm, heuer dazu entschlossen hatte, nur drei statt vier große Ausstellungen anzubieten. Angesichts von über 37.000 Besuchern beim erwähnten Villar Rojas war es wohl die richtige Entscheidung. Das Projekt war so riesig und einzigartig, dass es eine längere Ausstellungsdauer rechtfertigte. Ein entsprechender Effekt zeigte sich auch bei den Vermittlungsangeboten. 362 Führungen für Erwachsene und 277 Formate für Kinder und Jugendliche sowie über 170 sonstige Veranstaltungen komplettieren die Faktenliste für das zu Ende gehende Jahr.
Nachgebautes Anne-Frank-Haus
Im kommenden Jahr kehrt man wieder zum gewohnten Ablauf zurück, die Künstler, die die vier Hauptausstellungen bestreiten, sind Simon Fujiwara (geb. 1982 in London), Mika Rottenberg (geb. 1976 in Buenos Aires), David Claerbout (geb. 1969 in Kortrijk) und Tacita Dean (geb. 1965 in Canterbury). Für Einzelpositionen hatte sich Trummer schon bei seinem Antritt ausgesprochen und dabei bleibt er auch. Dass die Künstler wiederum Einzigartiges abliefern, zeichnet sich ab. „Selbst wenn Sie Direktor des Museums of Modern Art sind, können Sie ein solches Projekt nicht realisieren“, bemerkte er am Dienstag bei der Vorstellung des ersten Werks im kommenden Jahr. Simon Fujiwara wird das Anne-Frank-Haus in Amsterdam, also jenes Hinterhaus, in dem sich die Familie Frank vor den Nazis versteckt hielt, bevor sie verraten wurde, als „Hope House“ im Kunsthaus nachbauen. Fragen zur Echtheit, zur Authentizität und zur Erinnerungskultur überhaupt stellen sich unweigerlich. Fujiwara untersuchte auch das Verhalten und die in den sozialen Medien zu findenden Selbstdarstellungsmechanismen von Besuchern im ehemaligen Zimmer des Mädchens, das 15-jährig unter grausamen Umständen im KZ starb.
Kapitalistische Realität
An eine Arbeit von Mika Rottenberg werden sich die Besucher der letzten Biennale in Venedig erinnern. Damals zeigte die Künstlerin nicht nur Filme über die aufwendige Herstellung von Perlen, auch die Anhäufung und weltweite Vertreibung völlig nutzloser Konsumartikel oder die kapitalistische Realität wurden mit einigen surrealen bzw. fiktiven Elementen thematisiert. Der Belgier David Clearbout arbeitet mit nachgestellten Bildern, bei denen der Faktor Zeit eine spezielle Rolle erhält. Für Bregenz gibt er das in der Nazizeit errichtete Berliner Olympiastadion dem Verfall preis, allerdings im Ablauf von tausend Jahren. Mit Tacita Dean beschließt eine renommierte Britin das Jahr, die für poetische, aber auch politische Filmarbeiten bekannt ist.
Das KUB wird vom Land Vorarlberg mit rund 2,5 Millionen Euro subventioniert, dazu kommen 750.000 Euro an eigenen Einnahmen. Zu finanzieren sind damit u. a. umgerechnet 27 Vollzeitarbeitsplätze. VN-cd
„Die Kunst liefert auch Fiktion, eine Täuschung, die sich aber als solche preisgibt.“

Kunsthaus Bregenz 2018
Simon Fujiwara
27. Jänner bis 8. April
Mika Rottenberg
21. April bis 1. Juli
David Claerbout
14. Juli bis 7. Oktober
Tacita Dean
20. Oktober bis 6. Jänner
Billboards
Maeve Brannan, Alicia Frankovich, Flaka Haliti, Lili Reynaud Dewar