Von Angesicht zu Angesicht

Im Rohnerhaus treffen Marco Spitzars Köpfe auf Edmund Kalbs Selbstporträts aus der Sammlung.
LAUTERACH „Face to Face“ – von Angesicht zu Angesicht stehen sie sich gegenüber in der aktuellen Ausstellung im Rohnerhaus: die „Köpfe“, die Marco Spitzar wie Früchte in Schalen bettet, isoliert vom Körper auf rohe Leinwände bannt oder auf vergilbtes Kanzleipapier zeichnet, und – immer wieder eine Entdeckung – die eindringlichen Selbstporträts des Dornbirner Malers und Zeichners Edmund Kalb (1900-1952).
Die Konstellation Spitzar/Kalb, als Aufeinandertreffen von zeitgenössischem Schaffen und Blättern aus der Sammlung des Lauteracher Rohnerhauses, scheint auf den ersten Blick eine ungewöhnliche zu sein. Marco Spitzar, ehemaliger Gironcoli-Schüler, eine bekannte Größe in der heimischen Kommunikationsbranche, ist vor wenigen Jahren erfolgreich mit Ausstellungen in der Galerie.Z und bei Kunst.Vorarlberg wieder aus der (selbst gewählten) künstlerischen Versenkung und der Ausstellungsabstinenz aufgetaucht. Spielerisch, aber nie beliebig, inszeniert er auch in seinen jüngsten Werkreihen ungewöhnliche und verwirrende Kompositionen, sowie unorthodoxe Materialien. Die flinke Flasche von UHU und ihr Inhalt gehören ebenso zum Repertoire des Künstlers wie historische Rechnungsbücher oder Inventarlisten aus dem vorvorherigen Jahrhundert, an denen er die Tonigkeit des Papiers schätzt. Hauptmotiv der aktuellen Werkserien sind jedoch Köpfe. Keine Porträts, sondern vielmehr allgemeingültige, abstrahierte Darstellungen, gearbeitet nach dem Modell eines kleinen Puppenkopfes, der in die Hand des Künstlers passt, balancieren sie Brezeln auf Stirn oder Nase. Abgetrennt von Hals und Körper erinnern sie an Darstellungen in historischen Gemälden.
Miniatur-Kosmos
Eine Erfahrung, die der Besucher in der Ausstellung einer Konstruktion aus Brett und Glasschale ohne Boden, in die man von unten den Kopf hineinstecken kann, zumindest ansatzweise nachvollziehen kann. Füße und Schuhe demonstrieren rätselhafte Präsenz in anderen Reihen, wenn auf (Frauen)Schuhspitzen kleine Männer tanzen und sich hinter halb-transparenten Schichten aus UHU-Kleber mehr verbirgt, als offenbar wird. Serientitel wie „Brezelbalance on the Beach“ tragen auch nicht gerade zur Aufklärung bei, auch wenn sie einige Ansatzpunkte zur Entschlüsselung dieses höchst privaten Universums bieten. Die Requisiten, derer sich Marco Spitzar bedient, sind in einer Vitrine ausgestellt. Ein Miniatur-Kosmos, ein Fundus, aus dem der Künstler immer wieder schöpft, ohne genau zu wissen, wieso ihn im Kunstkontext scheinbar so absurde Dinge wie eine Brezel, die inhaltlich unbelastet einfach nur Form ist, oder ein trockener Ast, so fesseln. Unzensuriert tauchen die Objekte in immer neuen Varianten aus dem Unterbewusstsein auf, schleichen sich in die Arbeiten, wie die grünbärtigen Männerköpfe in den kleinformatigen Blättern mit den Schalen aus blasenwerfendem UHU-Klebstoff.
Distanziert, losgelöst, allein auf den ungrundierten Leinwänden, von keinem Hintergrund umfangen, erscheint das Bildgeschehen aus kühler Reserviertheit geschildert, zuweilen ironisch, und konzeptuell bestimmt. In den ebenso intimen wie schonungslosen Selbstbildnissen der Außenseiterposition Edmund Kalbs herrscht dagegen eine völlig andere Emotionalität. Die Zeichen und Kringel, die um seine Porträtköpfe kreisen wie ein Schwarm Insekten, scheinen die Gedanken des Künstlers zu verkörpern, sein Ringen, die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Zeit in diesen komplexen Strukturen zu verorten. Wirklichkeit oder Traum? Logik oder Übersinnlichkeit? Intellekt oder Emotion? Wissen oder Ahnung? Erkenntnis oder Ängste? In den Grauzonen treffen Kalb und Spitzar wieder aufeinander, stehen sich gegenüber, von Angesicht zu Angesicht.
„Es gibt Dinge, die in meiner Arbeit immer wieder auftauchen, ohne dass ich darüber nachdenken muss.“

Eines der Selbstporträts des Künstlers Edmund Kalb.

Zur Person
Marco Spitzar
Geboren 1964 in Osnabrück/D
Ausbildung Kunstgewerbeschule Graz, Akademie der bildenden Künste Wien
Laufbahn Ausstellungen u.a. in Dornbirn, Bludenz, Wien und Graz; seit 1994 eigene Agentur für Strategische Kommunikation
Auszeichnungen Jugendkunstpreis Steiermark, 1.Preis Plakatwettbewerb der Kunsthochschulen Österreichs
Wohnort Schwarzach
Die Ausstellung wird im Rohnerhaus, Kirchstraße 14, in Lauterach am 11. November, um 18 Uhr eröffnet. Zu sehen bis 7. April, Mi bis Sa, 11 bis 17 Uhr, Fr, 11 bis 20 Uhr.