Ästhetischer Genuss mit politischer Aussage

Das neue Festival „Bregenzer Frühling“ ist weitgehend das alte mit einigen Zusätzen.
Bregenz Keine Revolution gewollt, sondern, wie man so schön sagt, eine Evolution angestrebt zu haben, das ist Jutta Dieing, seit einem guten Jahr Leiterin des Bregenzer Kulturamtes, sicher nicht negativ anzukreiden. War aufgrund der langen Vorlaufzeiten in diesem Jahr noch ein Festivalprogramm zu erleben, das ihr zum Zeitpunkt der Aufführungen nicht mehr anwesender Vorgänger Wolfgang Fetz inhaltlich verantwortete, trägt der seit Jahrzehnten bestens positionierte „Bregenzer Frühling“ im Jahr 2018 nun die Handschrift der deutschen Musikwissenschaftlerin. Wie sie im Gespräch mit den VN ausführte, sind ihrer Auswahl keine Recherchereisen vorausgegangen, Jutta Dieing hat weitgehend auf jene Künstler gesetzt, mit denen sie in früheren Jobs zu tun hatte bzw. auf deren Qualität sie vertraut.
Erstaufführungen
Und dazu zählt beispielsweise die im Jahr 1970 von der Auschwitz-Überlebenden Yehudit Arnon (1926–2013) gegründete israelische Kibbutz Contemporary Dance Company, die mit „Horses in the Sky“ mit Musik von Elvis Presley bis Björk eine österreichische Erstaufführung präsentiert und einen Aspekt verdeutlicht, den Dieing bei der Programmierung ihren Überlegungen voranstellte. Compagnien zu holen, die für einen politischen Inhalt stehen, das sei ihr ebenso wichtig gewesen wie das Ausschauhalten nach Stücken, die den Tanz mit der bildenden Kunst oder der Wissenschaft in Verbindung bringen. Wayne McGregor, ein Künstler, den die Festival-Besucher schon sehr gut kennen, hat für „Autobiography“ beispielsweise sein Erbgut analysieren lassen und auf Basis der Daten eine Choregrafie geschaffen, die somit als persönliche Lebensgeschichte zu lesen ist. Die Rolle der Elektrizität im menschlichen Körper will etwa das britische Ensemble Motionhouse mit „Charge“ erkunden, einem Werk, das ebenfalls erstmals in Österreich gezeigt wird. Die Imperfect Dancers sind in Italien ansässig und unter anderem mit einer „Faust“-Adaptierung bekannt geworden. Nach Goethe widmet man sich nun Shakespeare, und zwar seinem „Hamlet“. Damit konstruiert man allerdings eine ebenso enorme Fallhöhe wie mit Helena Waldmanns „Good Passports, Bad Passports“, einer Auseinandersetzung mit dem Nationalismus, die Amateurdarsteller aus der Region unterstützen dürfen, die aufgerufen werden, sich für das Bilden einer Mauer auf der Bühne zu bewerben.
Eine professionelle Anbindung an die regionale Tanzszene soll Silvia Salzmann repräsentieren, die ein Stück für Kinder erarbeitet, im Kunsthaus Bregenz tritt die japanische Tänzerin Yui Kawaguchi in Aktion und das Aktionstheater widmet sich in seinem stets qualitätvollen Appendix der Zerstörung des Mannes.
Bezüglich der Akzeptanz liegt die Latte für das erste Programm von Dieing hoch. Zuletzt erreichte man eine Auslastung von 89 Prozent, über 40 Prozent des Publikums reist eigens aus dem Ausland an. Das Gesamtbudget beträgt 462.000 Euro, bei einem Eigendeckungsgrad von bislang absolut vorzeigbaren 65 Prozent soll es bleiben.
„Eine Überlegung war es, den Tanz mit bildender Kunst oder Wissenschaft zu verbinden.“

Bregenzer Frühling 2018
Kibbutz Contemporary Dance Company “Horses in the Sky”,
11. März
Imperfect Dancers Company
„Hamlet“, 17. März
Helena Waldmann
„Good Passports, Bad Passports“,
7. April
Company Wayne McGregor
“Autobiography”, 21. April
Motionhouse
“Charge”, 18. Mai
Silvia Salzmann
„Muschln Nuschln beim Kuschln“
18. und 19. April
Yui Kawaguchi
„Da Capo“, 28. April
Aktionstheater Ensemble
„Die wunderbare Zerstörung des Mannes“, 30. und 31. Mai, 1. und 2. Juni