Der Wunsch, sich zu verlaufen, ist da

Harry Marte hat mit „Little Prayers“ eine neue CD produziert und startet eine längere Konzertserie.
Schwarzach „Wenn ich dann auf der Bühne stehe, denke ich manchmal, dass es wohl besser gewesen wäre, wenn ich mich im Wald verlaufen hätte“, erzählt Harry Marte, der Grafiker und Musiker, für den man sich wünscht, dass ihn dieses Gefühl nicht mehr, oder wenn schon, dann nur noch ganz kurz befällt. Denn vom weiteren Wunsch, nämlich, die Lieder, die er schreibt, nach außen zu tragen, profitiert das Publikum seit Jahren.
Es hat ohnehin lange warten müssen, bis nach „Angel Wings“ oder der besonders erfolgreichen Produktion „Big Pit“ wieder etwas kommt. Dieses Mal hat er mit Marco Figini (Guitar), Chris Dahlgren (Bass) und Alfred Vogel (Drums, Percussion) zusammengearbeitet. „Alfred ist der Motor, er kann die Menschen begeistern“, sagt Harry Marte über seinen Kollegen, seinen Freund, der die Veröffentlichung vorantrieb und die Formation mit den namhaften Musikern zusammenbrachte. In einem Klima der gegenseitigen Wertschätzung konnte etwas Gutes entstehen, das nicht selten bei Spaziergängen im Wald seinen Anfang nahm, „beim Streunen“, wie Marte seine Methode, den Kopf frei zu bekommen, nennt.
Innehalten
Manchmal liefert der Alltag die Ideen. Als er in der Silvesternacht einmal unter anderem einer Frau gegenübersaß, die die Frage ihres danebensitzenden Partners, was sie sich denn zum neuen Jahr wünsche, mit „eine Nacht“ beantwortete, war der Text zu „Give me a Night“ schon im Entstehen. Es ist ein Liebeslied geworden, das Martes tiefe Stimme braucht, aber auch die Spur von Melancholie und den vorantreibenden Schlagzeuger im Hintergrund. Auch wenn Marte davon spricht, dass die Zeilen mitunter wie Butter zusammenfließen, dass das Schaffen der Songs also zügig vorangeht, steht außer Frage, dass ihn manchmal auch die Not treibt, eine Lebensnot. „Das heißt nicht, dass ich existenziell gefährdet bin“, wehrt er Fehlinterpretationen ab, aber freilich erzeuge das Leben Wunden, wenn etwa ein Mensch in seinem Umfeld an Krebs erkrankt, wenn er mit dem Sterben konfrontiert ist, oder einfach mit dem Altern. Und das gräbt sich dann auch in seinen Liedern ein, die er erst gar nicht von Melancholie freihalten will, wobei er Melancholie aber nicht mit Depressivem verbunden haben will. „Melancholie ist etwas Schönes, ich brauche sie“, sagt er. Sie steht für ihn auch für das Innehalten.
Die Skurrilität des Alltags führt ebenfalls zu Songs. Als er einmal erst gegen Morgen nach Hause kam, den Geruch von Frittieröl und Rauch an sich feststellte und somit den Kopf unter die Brause hielt, habe er festgestellt, wie ihm das Gesicht sozusagen in die Badewanne fiel: „Wenn man sich nach vorne beugt, kommen die Falten erst so richtig zum Ausdruck.“ Ein ernüchternder Anblick sei das auch für ihn gewesen, den Musikpoeten, von dem das Publikum weiß und nun erneut erfahren kann, dass er bei allem Sinn für Tagträumereien die Realität nicht aus den Augen verliert. Auch davon handelt „Little Prayers“. „Wenn ich den ersten Ton der Band höre, kippe ich hinein“, beschreibt Harry Marte, der Grafiker, der zum Musiker wurde, das Ablegen der Scheu auf der Bühne. Die Konzertserie beginnt, dieses Hineinkippen wird voraussichtlich wohl oft passieren und beim Anhören der neuen CD erfährt man gern, dass das Ensemble noch Weiteres vorhat.
„Ich gehe intuitiv an die Texte heran, manchmal getrieben durch eine Lebensnot.“
Zur Person
Harry Marte
Geboren 1956 in Götzis
Ausbildung zum Grafiker (Atelier in Liechtenstein)
Laufbahn lernt Gitarre, in den 80er- und 90er-Jahren Songwriter, Mitglied in verschiedenen Bands, Tour mit dem Schriftsteller Michael Köhlmeier, Begegnung mit Musikern und Produzenten, Live-Auftritte
CD-Produktionen „Angel Wings“,
„6 New Songs“, „Big Pit“
CD-Präsentationen und Konzerte: 15. November, 19.30 Uhr, ORF-Landesstudio Dornbirn, 16. November, 20 Uhr, Saumarkt Feldkirch, 18. November, 20 Uhr, Kammgarn Hard, 1. Dezember, 20 Uhr, Altes Kino Rankweil