Mit Musik den Krieg vergessen

Chor der Erlöserkirche Lustenau feierte seinen 80. Geburtstag mit einer Topleistung.
LUSTENAU Zu Beginn dieses Konzerts wähnte man sich eher bei einer TV-Übertragung als in der vollbesetzten Erlöserkirche, denn da erklang genau jene Melodie, die als „Eurovisions-Fanfare“ heute längst Allgemeingut ist. Jeder kennt sie, kaum einer aber weiß, dass dieses Stück vor über 300 Jahren als Einleitung eines „Te Deum“ des Franzosen Marc-Antoine Charpentier entstanden ist.
Es ist der erste Teil eines Programms, das Michael Schwärzler zur Feier des 80. Geburtstags seiner Sängergemeinschaft sorgsam ausgewählt und diese punktgenau auf dieses Ereignis hin zur Höchstleistung für einen Kirchenchor geführt hat. Schwärzler, gebürtiger Allgäuer, ist seit 2011 in der Pfarre Rheindorf als Organist, Kantor und Chorleiter einer der wenigen hauptamtlichen Kirchenmusiker des Landes. Er führt damit das Erbe seiner prominenten Vorgänger wie Maria Bösch-Fussenegger und des heute 91-jährigen Otto Vonbank fort, der den Chor über 50 Jahre geprägt hat. Gegründet wurde dieser 1937, wenige Jahre nach dem Bau der Kirche, in schwerer Vorkriegszeit. Und an ähnliche Situationen erinnern auch zwei der drei Spätwerke dieses Programms aus Barock, Moderne und Klassik. Charpentiers jubelndes „Te Deum“ ist ein Dankgebet für die gewonnene Schlacht der Franzosen 1692 bei Steinkerque, ein prächtiges Werk, das die Sänger mit Begeisterung umsetzen. Der 37 Stimmen starke, zum Jubiläum durch Projektsänger auf 50 Personen aufgestockte Chor erweist sich schon hier als leistungsstarkes Vokalensemble, das sich in gegenseitigem Vertrauen gut von Schwärzlers klarem, stilkundigem Dirigat führen lässt und zu einem schönen, ausgewogenen Chorklang findet. Auch die recht klein besetzte Sinfonietta Vorarlberg, längst zum unverzichtbaren Klangkörper bei lokalen Aufführungen dieser Art im Land geworden, trumpft mit eleganten Streichern, strahlenden Trompeten und (etwas zu vordergründig) Pauken auf. Mit „Totus tuus“ des polnischen Komponisten Henryk Górecki folgt ein friedvolles, inniges Marienlob, das erst 1987 zum Besuch von Papst Johannes Paul II. in seiner Heimat entstanden ist. Den Gefahren des tonalen, aber harmonisch tückischen achtstimmigen Satzes zeigt sich der Chor gut gewachsen und blüht am leuchtenden A-cappella-Klang farbenreich auf.
Finaler Höhepunkt
Haydns populäre „Paukenmesse“ dagegen verheißt wieder Krieg und fordert nochmals den vollen Einsatz aller Beteiligten, um zum angepeilten finalen Höhepunkt des Programms zu werden. Das Werk erinnert an den Feldzug Napoleons gegen Österreich 1796 und ist mit dem Beinamen „Missa in tempore belli“ („Messe in Kriegszeiten“) ein Schwesterwerk der zuletzt im Land öfter zu hörenden, zwei Jahre später entstandenen „Nelsonmesse“ („in Zeiten der Bedrängnis“). Siegesfanfaren und Pauken-Kanonendonner im „Agnus Dei“ verkünden auch hier Bedrohung, der der Chor mit einer fast atemlos vorgetragenen Friedensbitte begegnet. Auch zuvor bestehen die Sänger unter Michael Schwärzlers inspirierter, handwerklich sicherer Anleitung tadellos die vielfältigen Anforderungen an Klangfülle und Ausdrucksvielfalt und zeigen in freudig angepeilten Höhepunkten, wie dem „Amen“ im „Credo“, auch nach über einer Stunde keinerlei Konditionsschwächen. So entsteht das Werk als Bekenntnis zur großen klassischen österreichischen Kirchenmusik-Tradition.
Ebenso vielfältige Aufgaben, solistisch wie im Dialog mit dem Chor, erfüllt hier, wie schon beim einleitenden „Te Deum“, das großteils mit qualifizierten heimischen Kräften besetzte, sehr abgerundet wirkende Solistenquartett. Die Sopranistin Birgit Plankel beeindruckt mit tiefer Verinnerlichung, Stimmschönheit und Schlankheit, die derzeit am Stadttheater St. Gallen tätige deutsche Mezzosopranistin Theresa Holzhauser beweist in nobler Zurückhaltung große Ausdruckskraft, Peter Cavall trumpft mit der klaren Natürlichkeit und Schönheit seines Tenors auf, der Bass Michael Schwendinger hat seine berührendsten Momente im „Qui tollis“ als Duo mit dem Solocello von Andrea Hodász. Die Besucher danken mit Standing Ovations.