Höchste Zeit für Paris

Warum nicht Erik Satie? „Die Schurken“ machten aus dieser Idee ein Konzert.
Lustenau Wie es sich anfühlt, der ewige Geheimtipp zu sein? Nun, das müsste man wohl am besten Erik Satie selbst fragen. Auf den trifft genau das nämlich zu. Geboren 1866 in Honfleur, ist er wohl einer jener Komponisten und Musiker, die die Musik der Gegenwart ganz besonders beeinflusst haben, und von ihr trotzdem mit Füßen getreten wurde. Und dennoch: Minimal Music, Jazz und Neue Musik bilden nur eine Auswahl an Begriffen, die unweigerlich fallen müssen, wenn die Rede auf Erik Satie kommt.
Originalität und Witz
So ging es auch den „Schurken“ – jener Vorarlberger Musikformation, als deren Markenzeichen die absolute Musikalität ebenso gilt wie auch Originalität und Witz. Und das ist wohl genau die Mischung, die auch Satie gerecht wird. Der bestand in seiner Musik nämlich auf Schlichtheit – nicht ohne Raffinesse – und in seinen Texten auf Witz und Skurrilität. Warum „Die Schurken“ für ihr neues Konzert nun gerade auf Satie gekommen sind, erklärt sich vielleicht anhand dieser inneren Verwandtschaft, vielleicht auch aber dadurch, dass Satie einfach gute Musik gemacht hat. „Wir hatten in unseren Programmen auch schon einzelne Satie-Stücke mit dabei und so kam es, dass wir uns jetzt immer mehr mit Frankreich und seinen Komponisten beschäftigen“, erklären Stefan Dünser (Trompete) und Goran Kovacevic (Akkordeon). Den Titel zum aktuellen Stück steuerte übrigens Kovacevic höchstpersönlich bei. „Es ist ein Wortspiel aus Satie, Fraktion und natürlich Satisfaction“, wühlt da Dünser in den Buchstaben und damit auch gleich in der Musikgeschichte. Denn die Satie-Fraktion, neudeutsch würde man das wohl als Team Satie bezeichnen, war niemand Geringerer als die Groupe de Six, also jene lose Vereinigung von Komponisten, der auch Arthur Honegger, Darius Milhaud und Henri Sauguet angehörten. Und Erik Satie war ihr Mentor.
„Wir spielen natürlich auch mit sämtlichen Frankreich-Klischees und spielen sie gegeneinander aus“, wirft Stefan Dünser ein – auch das ein Kniff, der Satie wohl gefallen hätte, der sich seinen Unterhalt zeitweise als Barpianist im Pariser Kabarett Le Chat Noir verdiente und die Zeit dort für musikalische Experimente nutzte.
Und so geht es bei diesem inszenierten Konzert der „Schurken“ auch mehr um die Sehnsucht nach Paris, nach einer Vorstellung von Paris, als um das tatsächliche Erreichen dieser Sehnsucht. „Wir spielen vier Charaktere, die auf dem Weg nach Paris sind und sich in einer Bahnhofshalle treffen. Ich spiele den Gourmet, Martin Schelling den Romantiker, Goran den Straßenmusiker und Martin den Literaten“, erklärt Dünser schlicht und einfach das musikdramatische Konzept des Abends. Alle vier Charaktere präsentieren unterschiedliche Facetten des Pariser Savoir vivre und alle vier spielen sie mit den Zuschreibungen daran. „Man darf aber bei all dem nie vergessen, dass das Paris ja auch ausmacht, diese Vielschichtigkeit. Paris war immer eine Stadt, ein Ort, an dem sich viele verschiedene Menschen getroffen haben. Viele von ihnen waren nach Paris geflüchtet, jeder brachte seine Geschichte mit sich und gemeinsam haben sie in dieser Stadt gelebt und gearbeitet“, wirft Martin Deuring ein und unterstreicht damit noch die philosophische und auch zeitkritische Basis des Konzertstücks. Zu hören und zu sehen werden dort natürlich die Kompositionen Saties sein, aber auch seiner Zeitgenossen – und garniert wird das Ganze noch mit den teils aberwitzigen Texten des Komponisten.
Auftragswerk
Übrigens, wenn „Die Schurken“ mit Satie nun ihre frankophile Seite entdecken, dann kosten sie das so richtig aus. Neben „Satisfraktion“ arbeiten sie nämlich auch an der „Probe“, einem Auftragswerk des Wiener Musikvereins, das dort auch Ende März 2018 präsentiert wird. Als wäre das nicht genug, haben sie mit „Paris, Paris“ auch schon den nächsten Pfeil im Köcher. „Paris, Paris“ ist das nächste Musikvermittlungsprojekt, das im Rahmen der Bregenzer Festspiele 2019 im Land zu sehen sein wird. Bis dahin sollte sich aber doch noch einige Male die Gelegenheit ergeben, „Die Schurken“ live zu erleben – auch wenn sie ihr Projekte in nächster Zeit eher nach Luxemburg, Düsseldorf und Wien führen. Ein Grund mehr, sich das frankophile und frankophone Konzert nicht entgehen zu lassen.
„Wir spielen mit sämtlichen Frankreich-Klischees und spielen sie gegeneinander aus.“
Premiere „Satisfraktion“, inszeniertes Konzert mit den „Schurken“, Donnerstag,
23. November, 20 Uhr, Reichshofsaal, Lustenau: www.dieschurken.at