Herrlich, einfach herrlich

Wenn sich die Schurken französisch geben, muss man das sehen.
Lustenau Eigentlich würden ja drei Worte genügen, um den neuesten Konzertstreich der Schurken zu beschreiben: Herrlich, einfach herrlich! Warum? Weil es ihnen gelingt, in ihre Konzerte Humor zu packen, ohne dabei plump zu sein, weil sie mit Erik Satie einen Musiker und Komponisten ausgegraben haben, den man ruhig (wieder)entdecken darf und weil die Schurken einfach gute und wunderschöne Musik machen.
Die Szenerie ist dabei so klar, wie sie auch den richtigen, witzigen Kniff hat. Die vier Musiker Stefan Dünser (Trompete), Martin Schelling (Klarinette), Goran Kovacevic (Akkordeon) und Martin Deuring (Kontrabass) treffen sich an einem Bahnhof, irgendwo in Frankreich. Ihr Ziel: Paris. Weil aber der Zug doch etwas auf sich warten lässt, fangen sie eben an, Musik zu machen. Irgendwie wird man dabei den Verdacht nicht los, dass die vier Bahnhofszufallsbekanntschaften allesamt keine Franzosen sind. Denn es ist einfach köstlich, wie sie sich mit stehenden Phrasen durch die Dialoge schaukeln. So spielt eben jeder ein bisschen Paris. Und genau darum geht es bei diesem Schurken-Konzert im Lustenauer Reichshofsaal, das den Titel „Satisfraktion“ trug, auch. Es geht um Sehnsüchte, um Hoffnungen, um Trauer, um Freude, es geht um Paris und um das Träumen. Ob man Paris dann auch tatsächlich erreicht, ist dabei eigentlich nebensächlich.
Doch warum betreiben die Schurken eigentlich diesen ganzen Aufwand? Nun, sie haben beschlossen, Satie für sich zu entdecken. Der hat ein solches Bemühen auch verdient, gehört er doch zu den eher vergesseneren seiner Zunft. Dabei hat er für vieles, was heute in der Musikbranche gang und gäbe ist, die Vorreiterrolle eingenommen. Also Satie sollte es sein. Der kommt auch ordentlich zu Wort, teils durch seine verdichtete und damit unglaublich reizvolle Musik, teils durch seine aberwitzigen Texte. Denn geschrieben hat Satie auch.
Auch sehr hörenswert
Garniert wird das Ganze mit Musik jener Komponisten, die irgendwie mit Satie verbunden waren. Sei das Claude Debussy, der eine Künstlerfreundschaft mit Satie pflegte, sei das Astor Piazzolla, der in Paris studierte oder Igor Strawinsky, der zu Saties Zeiten ebenfalls in Frankreich weilte. Ein bunter Blumenstrauß an Komponisten und Kompositionen verband sich so zu einem schurkisch guten Konzert. Für feinen Lokalkolorit sorgte dabei übrigens Musik des Schweizers Albin Brun: auch sehr hörenswert. Irgendwie schimmerte in jedem Stück dieses Träumen durch. In Saties „Je te veux“ ebenso wie in Debussys „En bateau“ oder Astor Piazzollas „Adias Nonino“. Selten hat man Musik gehört, die gleichzeitig so voll war von Schönheit und Trauer, von Leichtigkeit und Schwermut. Vielleicht ist es gerade auch diese Mischung, die die Sehnsucht nach Paris ausmacht, vielleicht ist es das „Träumen-Dürfen“, das sich da zwischen den Noten immer wieder Platz macht. Irgendwie geht es ja genau darum: Den Mut fassen, seine Träume in Angriff zu nehmen. Das galt für die Groupe de Six – eine Vereinigung junger Komponisten, deren Mentor Satie war – ebenso wie für so viele Kunstschaffende, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nach Paris kamen. Dieser Mut ist es auch, der die Basis des dramaturgischen Konzepts des Konzertsabends bildet, fabelhaft umgesetzt von Salomé Im Hof, die in dieser Form zum zweiten Mal mit den Schurken zusammenarbeitet.
Gefühlvoll
Nach zwei Stunden praller Musik setzte ein so berührend-sanft musiziertes „Send in the Clowns“ , ein Klassiker von Barbra Streisand, einen so gefühlvoll hingehauchten Schlusspunkt, dass es keine andere Alternative gab als den kräftigsten Applaus. Ach ja, den Zug nach Paris haben die vier Musiker natürlich verpasst. Macht aber nichts, morgen fährt wieder einer. Denn schließlich geht es ja nicht ums Ankommen, sondern ums Aufbrechen. Und Träumen darf man ja immer. Vf