Immer der Wand entlang

„Reset“, also zurück auf Anfang, lautet das Motto von Carmen Pfanner.
Arbeiten von Bender, Pfanner, Zwiener und „#vaporfolk“ im Künstlerhaus.
BREGENZ Es ist lange her, dass Wolfgang Bender (geb. 1960 in Dornbirn) im Künstlerhaus zu sehen war. Mit „Karabiner“, einer radikal reduzierten, konzeptuell verdichteten Intervention in drei Teilen, ist der in Wien lebende Künstler wieder einmal in Vorarlberg vertreten. Gleichzeitig werden Ausstellungen von Carmen Pfanner, Anne Zwiener und einer jungen, sechsköpfigen Künstlercrew im Palais Thurn und Taxis präsentiert. Ein leichtes Einhaken und sichere Führung verspricht die Ausstellung von Wolfgang Bender im Erdgeschoß des Hauses. Aber Vorsicht, die 80 Meter Handlauf, die den ansonsten fast leeren Raum komplett, auch über die Fenster hinweg abfahren, und die daran befestigten Karabinerhaken, sind aus federleichtem Balsaholz geschnitzt. Was Stabilität und Sicherheit verheißt, ist kaum mehr als eine Illusion. Mit dem Materialwechsel und dem Transfer in den Kunstkontext geht der Verlust der Funktion einher. „Was ich hier zeige“, so der in Wien lebende Bender, „ist weniger eine Ausstellung als vielmehr eine Haltung. Das ist nicht Prêt-à-porter“ sondern Haute Couture. Die Dreifaltigkeit aus Installation und Katalog-Stapel-Skulptur wird komplettiert durch eine großformatige Fotografie im Foyer, die mit einem glänzend schwarzen Herrenschuh Bezug nimmt auf den Warenfabrikanten Güllich, der das Palais Thurn und Taxis 1848 als Wohnhaus errichten ließ. Der Stapel Kataloge in der Raummitte wird kurzerhand zur dynamischen Skulptur, die sich mit Dauer der Schau verflüchtigt, denn die Kataloge sind als Take-aways gedacht, zugleich aber auch Bestandteil der Ausstellung. Die Collagen im Katalog lassen sich als Referenzen an Künstlerkollegen lesen, wurden aber von Bender in seine eigene Bildsprache übertragen. Verbindendes Element der Collagen aus Werken von Marcel Duchamp, Araki, Peter Weibel und Valie Export sind Seile, Assoziationen an Seilschaften, Bondage etc. sind nicht zufällig, sondern erwünscht.
Träume aus (Kunst)Stoff
Im Geschoß über Bender hat sich Carmen Pfanner (geb. 1957) eingerichtet. „Reset“, also zurück auf Anfang, lautet ihr Motto. Was nichts anderes heißt, als dass die Dornbirner Textil- und Objektkünstlerin den Faden wieder aufnimmt und, wie in ihren künstlerischen Anfängen, mit der Nähmaschine zeichnet. Neben diesen Arbeiten und jüngsten Latex-Güssen bringt sie in Exkursen alle Schaffensphasen zusammen. Gepolstert, genäht und gesteppt, mit Latex überzogen und mit Tusche zusammengeklatscht, technoid und organisch-sinnlich – frühere Werkreihen wie Kraftwerk, die Monotypien, die Käfer, die Zeichnungen mit Schwung, Schlauch und Kunststoffen aller Art, fügen sich am Ende zu einem runden Ganzen. Herausragend die neueste Version der wunderbaren Installation „Corps Plastique“, die in einer bescheidenen Variante vor mehr als zehn Jahren genau am gleichen Ort ihre Premiere hatte und mit jedem weiteren, neuen Aufbau wächst. Kaltes Licht, frostige Pastelltöne, adrette Kleidchen aus Silikon in Größe 34, weißer Boden und der (Kunst)Stoff aus dem Träume sind: Handelt es sich um eine Laborsituation oder einen Beautysalon? In ihrer schönen Plastikwelt thematisiert Pfanner die Gleichmacherei und das große Geschäft in der Schönheitsindustrie.
Abtauchen
Transformation ist auch das große Thema in den surrealen Bildgeschichten von Anne Zwiener. In ihren Mischtechniken kombiniert die 1982 in Dornbirn geborene Künstlerin, die in Wien und in Barcelona studiert hat, Aquarell und Tusche. Die dargestellten Wesen, halb Mensch, halb Tier, sind in Metamorphosen begriffen, die außergewöhnliche spirituelle Zustände des Geistes erforschen. Wirklichkeit, Traum und Vision, Reisen in andere Kulturen, die Erforschung des Selbst, Trance und Rituale, die Rückbesinnung auf Religion und das Geistige, das in einer zunehmend digitalisierten Welt allmählich verloren zu gehen scheint, spielen in die Werke von Anne Zwiener hinein. Mithilfe einer Maske, die man sich anziehen kann, soll sich der Besucher in ein Geistwesen verwandeln und zumindest für die Dauer des Ausstellungsbesuches in eine andere Welt abtauchen.
Folklore aus dem Internet
„#vaporfolk“, eine Ausstellungssituation im Keller des Künstlerhauses, wirft einen Blick auf virtuelle Folklore aus dem Internet als ein spekuliertes Szenario, das es so noch nicht gibt. Hinter den Installationen und den Workshops steckt mit Andreas Ervik (NO), Lona Gaikis (D/CA), dem gebürtigen Bregenzer Bernhard Garnicnig, Zsofia Keresztes (HUN), Angus McCullough (USA) und Peter Moosgaard (A) ein internationales Künstlerkollektiv. „#vaporfolk“ thematisiert das „Verdampfen“ der gegenständlich-materiellen Welt und das sich im Gegenzug dazu einstellende Bedürfnis, etwas im wahrsten Sinn des Wortes zu begreifen.
In den Workshops, die rituell-schamanistischen Charakter haben, wird der digitalisierte Mensch wieder geerdet, es wird die Geheimrezeptur von Coca-Cola entschlüsselt, um den Softdrink dann gleich selbst zu brauen und in meditativen Übungen die Etiketten dazu zu entwerfen. Brands und Logos von Großkonzernen sind ebenso Thema, wie ein kreativer Einkauf beim schwedischen Möbelriesen, wenn sich aus den Tischsets und Kerzen die Bekleidung und Werkzeuge von Ötzi herstellen lassen. Mitgebraut und mitgebastelt, kann die Devise da nur lauten!


Die Ausstellungen sind im Künstlerhaus Palais Thurn und Taxis, Gallusstraße 10, in Bregenz, bis 7.Jänner geöffnet. Am Sa, 25. November, finden von 14 bis 16 Uhr die „#vaporfolk“-Workshops statt.