Es fragt sich, wie frei wir sind

Vorarlberger Landestheater bringt den Klassiker „Effi Briest“ von Fontane auf die Bühne.
Bregenz Er hat am Wiener Burgtheater gearbeitet, am Maxim Gorki Theater in Berlin, am Thalia Theater in Hamburg und am Schauspiel Frankfurt. Was die Umsetzung von Prosastoffen auf der Bühne betrifft, findet sich unter anderem „Die Blechtrommel“ von Günter Grass auf seiner Inszenierungsliste. Das Vorarlberger Landestheater hat Ronny Jakubaschk (geb. 1979 im brandenburgischen Guben) nun für die Umsetzung von Theodor Fontanes „Effi Briest“ engagiert. Im Klartext heißt das, dass seiner Regiearbeit die Bearbeitung eines Ende des 19. Jahrhunderts erschienenen Romans für die Bühne vorausgegangen ist, der längst Klassiker-Status hat und als großer Gesellschaftsroman, der die Verlogenheit der Moral in der Wilhelminischen Ära widerspiegelt, immer noch viel gelesen und zitiert wird.
„Das Stück ist ein Spiegel“
Auf sieben Figuren hat Jakubaschk die große Anzahl der auftretenden Personen reduziert. Neben Effi und ihren Eltern sind das Baron Geert von Innstetten, der Mann, den Effi auf Anraten ihrer Mutter heiratet, nachdem diese ihr Glück mit ihm nicht verwirklichen konnte. Weiters tritt selbstverständlich Major Crampas auf, mit dem die in der Ehe vernachlässigte Effi eine Liaison hat, sowie das Hausmädchen Johanna und der Apotheker Alonzo Gieshübler. Er sei nahe am Roman geblieben, beantwortet Ronny Jakubaschk die Frage nach der Fokussierung. Interessiert habe ihn in erster Linie die Darlegung der Unmöglichkeit der Figuren, ihr Lebensglück zu verfolgen. Die große Sehnsucht der jungen Effi nach einer romantischen Bilderbuchliebe verhalte sich diametral zu dem, was eine Ehe mit Baron von Innstetten bedeutet. Dieser Widerspruch in ihrem Leben sei schwer auszuhalten, die Affäre mit dem Major führte schließlich zu ihrem Absturz. Dass die Moralvorstellungen von damals nicht mehr mit den Freiheiten, die wir heute haben, in Verbindung zu bringen sind, dass uns ein Effi-Schicksal nur noch im bewusst herbeigeführten Kontext der damaligen Zeit berühren kann, stellt Jakubaschk konsequent in Abrede. Das Stück ist ein Spiegel, erklärt er, der uns mit der Frage konfrontiert, ob sich die Lebensverhältnisse nun wirklich komplett verändert haben. „Für Frauen ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf doch bei weitem noch nicht gegeben“, hebt er die Thematik auf eine pragmatische Ebene. Zudem habe man sich doch zu fragen, ob man in puncto Gleichberechtigung nun wirklich schon an einem Endpunkt angelangt sei. „Dass jegliche Lebensentwürfe gesellschaftlich toleriert sind, sehe ich nicht“, verweist der Regisseur auf die Konflikte, die aus seiner Sicht auch Menschen im 21. Jahrhundert auszustehen haben, wenn sie ihren Sehnsüchten bzw. ihren Vorstellungen von freien Entscheidungen folgen wollen.
Starke Dialoge
Mit großem Interesse stellte er übrigens fest, dass „Effi Briest“ bzw. Fontane auch in Österreich auf der Literaturliste von Maturanten steht, als Brandenburger empfindet er eine besondere Verbundenheit zum Werk von Fontane, das auch bereits andere Theater bearbeitet haben. Für ihn galt diesbezüglich, dass bereits der Romanautor selbst starke Dialoge verfasst hat, die zudem gelegentlich vor trockenem Humor strotzen. Keine Frage also, dass er danach trachtete, nahe an der Vorlage zu bleiben. Was die Angst bzw. die Albträume der jungen Frau betrifft, hat man auch optisch nach einem Weg gesucht, die Themen plausibel zu machen. Nicht zufällig wird der Theaterbesucher auf Bildmotive stoßen, die an die Arbeiten des belgischen Surrealisten René Magritte erinnern. Verantwortlich für die Ausstattung ist mit Anna Sörensen eine aus Hamburg stammende Künstlerin.
Wie kam es überhaupt zur Produktion „Effi Briest“ von Theodor Fontane? Das Vorarlberger Landestheater hat die Saison unter das Motto „Macht Spiele“ gestellt. Ronny Jakubaschk wurde konkret angefragt und so ergab sich, dass ein junger Brandenburger ein Werk eines sehr berühmten Brandenburgers an den Bodensee liefert, das hier in dieser Fassung somit uraufgeführt wird. VN-cd
„Im Zentrum steht die Unmöglichkeit der Figuren, ihr Lebensglück zu verfolgen.“

Premiere von „Effi Briest“ am Vorarlberger Landestheater am 6. April, 19.30 Uhr im Bregenzer Kornmarkttheater. Weitere Aufführungen: www.landestheater.org