Konfrontiert mit sich selbst und den anderen

1700 Jahre Geschichte: Wofür Generationen von Schülern jahrelang büffeln mussten, gibt es jetzt als „ZeitRaffer“.
Rankweil Quizfrage: Wie lange braucht man, um sich durch rund 1700 Jahre Landes-, Kultur- und Kirchengeschichte zu kämpfen? Lange? Fehlanzeige. Knappe 60 Minuten reichen da schon aus. Klingt schwer nach einer praktikablen Alternative. Die trägt den Titel „ZeitRaffer“ und ist derzeit an zwei Orten in Rankweil zu sehen, zu erleben und zu durchwandern.
Wie es zum Oberland kam
Anlass für das Ganze ist ein Jubiläum, das die Katholische Kirche in Vorarlberg heuer in den Aktionen berücksichtigt. Die Diözese ist nämlich eine 1968erin und feiert folglich heuer ihren 50. Geburtstag. Die Geschichte zwischen Kultur und Kirche begann natürlich schon deutlich früher. Der „ZeitRaffer“ lässt sie zum Beispiel im Mailand des Jahres 313 beginnen. Damals vereinbarte Kaiser Konstantin I. gemeinsam mit Kaiser Licinius, dass es von nun an jedem selbst überlassen sei, woran er glaube. Das galt auch für jenen Landstrich, der heute Vorarlberg heißt. Und wie sich die Geschichte hier fortsetzte, das ist Inhalt des ersten historischen Teils der „ZeitRaffer“, der derzeit in der Rankweiler Josefskirche zu sehen ist. Hier spiegeln sich politische Wechselfälle, hier wechseln sich römische und andere Machthaber in der Geschichtsschreibung ab und hier zeigt sich auch, dass manch lange Zurückliegendes bis heute quietschfidel ist. Denn mal ganz ehrlich, dass die bis heute in Vorarlberg selbstverständliche Einteilung in Ober- und Unterland auf ehemalige Diözesangrenzen zurückgeht, ist längst nicht allen bewusst. Das Unterland gehörte lange Zeit zum Bistum Konstanz, das Oberland nach Chur.
Sprechende Installation
In kurzen Videos erzählen hier Zeitzeugen u. a., wie die Diözese Feldkirch aus dem Ei schlüpfte. Und das trotz aller Proteste, die es damals übrigens auch gab. Unweit davon entfernt, auf dem Rankweiler Marktplatz, steht die zweite „ZeitRaffer“-Installation. Als ausgewachsener Container, wie man ihn ansonsten auch schon auf Baustellen sichten konnte, ist sie kaum zu übersehen. Der Unterschied liegt darin, dass dieser Container, genannt Pavillon 50, seine Passanten einfach mal direkt „anquatscht“. Kommt man ihm nämlich näher, dann beginnt er Fragen zu stellen. „Wofür würdest du sterben?“ ist eine davon. Die Gegenfrage „Und wofür lohnt es sich zu leben?“ lässt nicht lange auf sich warten. Dabei ist der im Vorbeispazieren gestoppte Betrachter mit seinem eigenen Spiegelbild konfrontiert, das ihn aus der Mitte des Pavillons nachdenklich, ratlos oder auch lächelnd ansieht. Und wo auf der Rückseite ein Spiegel ist, ist nun ein großes Whiteboard. Stifte fehlen natürlich auch nicht. Wer will, der hinterlässt eine Nachricht, und zwar für sich selbst, für die, die nach ihm kommen, oder auch einfach so.
Was das alles soll? Nun, wer Jubiläen feiert, der kann es sich nicht leisten, auf den kritischen Blick zurück zu verzichten. Aber Geschichte hört damit ja nicht auf, sondern setzt sich permanent an der Schwelle zur Gegenwart fort und die „ZeitRaffer“ sind das beste Beispiel dafür, dass Irritationen im öffentlichen Raum nicht nur funktionieren, sondern auch aktivieren. Denn wer ist am helllichten Tage mitten in Rankweil schon darauf gefasst, von einem Pavillon nach dem eigenen Befinden befragt zu werden. Da kommt man schon ins Grübeln und eine Frage führt zur nächsten. So startet jeder für sich seine persönliche Kettenreaktion, die man am besten vor Ort als Rankweiler oder beim nächsten Besuch einfach selbst ausprobiert. vf
Die „ZeitRaffer“ stehen bis 22. April in der Rankweiler Josefskirche und auf dem Marktplatz. Weitere Stationen sowie ein Audioguide: www.kath-kirche-vorarlberg.at/zeitraffer