Es gibt noch so viele Leben, die keine sind

Landestheater stellt Fontanes „Effi Briest“ in die Manege.
Bregenz „Und wenn du nicht Nein sagst, stehst du mit zwanzig Jahren da, wo andere mit vierzig stehen“, betont Luise von Briest, dass sie keine Widerrede ihrer Tochter wünscht, um deren Hand mit Baron Geert von Innstetten gerade jener Mann angehalten hat, der einst auch für die Mutter infrage gekommen wäre, die sich dann aber für einen entschied, der sich bereits in höherer gesellschaftlich-beruflicher Stellung befand. Diese Konstellation ist der Ausgangspunkt im 1896 erschienenen Roman „Effi Briest“ von Theodor Fontane, dessen Handlung so kommt wie sie kommen musste: Effi fügt sich zwar, verrennt sich dann aber, unter der Teilnahmslosigkeit ihres Mannes leidend, mit Major Crampas, verliert schließlich ihr Kind und ihr Ansehen. Die Vorstellung „Ich bin für gleich und gleich und für Zärtlichkeit und Liebe“, ist zu ihrer Zeit noch nicht erfüllbar. Ihr Pragmatismus – „Und wenn es das nicht sein kann, bin ich für ein vornehmes Haus“- kann sie nicht glücklich machen.
Fontane hat die Moral und Gesellschaftsnormen der Wilhelminischen Ära unter die Lupe genommen. Aus heutiger Sicht sind sie längst Vergangenheit, aber auch die Meinung des deutschen Textbearbeiters und Regisseurs Ronny Jakubaschk, dass individuelle Lebensentwürfe auch heute nur schwer realisierbar sind, bleibt intendierte Behauptung. In Mitteleuoropa, wo sich wohl nur jener mit seinem Freiheitsbedürfnis schwer tut, der sich gleichzeitig bequem an Muttis Suppenschüssel laben oder die Erbtante im Auge behalten will, gibt es, wie Innstetten meint, zwar auch noch „Leben, die keine sind“, die Gründe sind zwar nicht durchaus andere, aber schwer über den Roman zu spiegeln, von dem es bereits einige Bühnenbearbeitungen gibt.
Zirkus und Gruselshow
Eine hohe Vorgabe für eine weitere „Effi Briest“-Fassung, die das Vorarlberger Landestheater in Auftrag gab und gestern Abend dem Publikum präsentierte, das sich im Hause Briest in einem Zirkus wiederfand und schließlich in einer Art Gruselshow, in der es gar die Sicherungen putzte, was den Beginn verzögerte. Es ist eine Manege, in der Ausstatterin Anna Sörensen angesichts der Albträume von Effi auf Surrealismus nach Magritte setzt, den Ronny Jakubaschk derart aufgreift, dass er seine sieben Personen, auf die er das Stück reduziert hat, in leichter Überhöhung spielen lässt. Nadine Rosemann gelingt das gerade deshalb bestens, weil sie zu verdeutlichen versteht, dass Effi keine Ehrlichkeit zu sich selbst gelingt. Christian Heller als etwas platt pathetisch Klavier spielender Innstetten und Tilman Rose als Crampas sind ihr im Ausdrucksniveau ebenbürtig. Ob damit die Sprache, wegen der es sich lohnt, sich überhaupt noch mit dem Fontane-Stoff zu beschäftigen, eine Entsprechung findet, bleibt offen. Das Gruselige in dieser „Effi Briest“-Show wäre die Annahme, keine Wahl zu haben, obwohl man sie nun hat. Das zeigt sich zuweilen, zerläuft aber auch im Laufe des etwas zerdehnten Abends.
Nächste Aufführung von „Effi Briest“ nach Theodor Fontane im Theater am Kornmarkt am 10. April, 19.30 Uhr, und weitere Termine: www.landestheater.org