Vom Mut, alles in Frage zu stellen

Adorno für Ruinenkinder – Eine Geschichte von 1968
Heinz Bude,Hanser Verlag,
128 Seiten
Soziologe Heinz Bude untersucht die 1968er und deren Folgen.
Sachbuch Nach dem damaligen Studentenführer Rudi Dutschke ist eine zentrale Straße in Berlin benannt und der „68er Protestsänger“ Bob Dylan ist inzwischen Nobelpreisträger. Dutschke wurde auf dem Höhepunkt der Hochschul- und Vietnamdemonstrationen am 11. April 1968 auf dem Berliner Kurfürstendamm niedergeschossen. Seither gelten die Ereignisse vor 50 Jahren – auch in Frankreich und in den USA – als Zäsur in der Nachkriegszeit. Heinz Bude ist 1968 mit 14 Jahren bei der ersten Demonstration seines Lebens (in Wuppertal) mitgelaufen, die gegen die Niederschlagung des Prager Frühlings durch russische Panzer protestierte. Für manche waren diese Panzer schon damals „das Ende von 68“.
In seinem jetzt erschienenen Buch über „Eine Geschichte von 1968“ mit dem Titel „Adorno für Ruinenkinder“ haben „die 68er“ ihre gewichtige „Rolle im Familienroman der Bundesrepublik“ gefunden, unabhängig von Misserfolgen oder gelungenen Reformen der Gesellschaft. Wichtig sei das kollektive Gefühl der Befreiung gewesen, meint der Soziologe Bude, vor allem von verkrusteten und autoritären Strukturen in Familie, Schule und Politik, beispielhaft an den Hochschulen festgemacht.
Das Wort „Gesellschaft“ tauchte damals im allgemeinen Sprachgebrauch erstmals auf. Das Wort des Philosophen Theodor W. Adorno („Minima Moralia“) von der „natürlichen Gewalt der Gesellschaft“ wurde für viele der „Jungrevolutionäre“ zur Grundlage ihrer Auflehnung. Bude erinnert aber in diesem Zusammenhang auch an Adornos scheinbar paradoxe Warnung, die er den jungen Menschen mit auf den Weg gab, wonach es umso schwerer sei, sich in der Gesellschaft zu engagieren, „je mehr man von der Gesellschaft versteht“, was in der Tat später viele wieder resignieren ließ.
Budes Buch ist nach eigenen Angaben ein „Remix“ früherer Gespräche mit Zeitzeugen, die er Ende der 80er-Jahre geführt hat und die er geschickt in die Gegenwart führt und mit aktuellen Bezügen und Reflexionen verbindet. Den „68ern“ bescheinigt Bude rückblickend einen „erstaunlichen Mut“, alles in Frage zu stellen, verbunden mit der Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben, „das man aushält“. Nach der zwischenzeitlichen „Generation Golf“ setzt Bude heute etwas optimistisch auf die Enkel der 68er, die weder die Kandidatin des Finanzkapitals noch den Kandidaten des Hasses wählen wollen.