Zwei Königinnen oder zwei Diven im Zickenkrieg

In Donizettis Belcanto-Oper „Maria Stuarda“ treten zwei starke Sopranistinnen auf.
ZÜRICH Sich ankeifende Primadonnen? Das kann toll sein in der Oper! Die realen Ohrfeigen und Fußtritte zwischen den zerstrittenen Primadonnen bei der Generalprobe zur „Maria Stuarda“ 1834 in Neapel waren allerdings weder der Gesundheit der Darstellerin der Maria noch auch der Bühnengeburt von Gaetano Donizettis Opernprojekt zuträglich. In der Neuinszenierung der 1835 uraufgeführten Drittfassung des Werkes am Opernhaus Zürich haben jetzt die Protagonistinnen bestens harmoniert, auch in Bezug auf die Vergegenwärtigung jenes von Schiller für seine Tragödie erfundenen Treffens zwischen der schottischen Königin Maria Stuart und der englischen Regentin Elisabeth, dessen operndramaturgischen Nutzwert Donizettis Librettist natürlich erkannte.
In Zürich wurde die Starsopranistin Diana Damrau ihrem Ruf als „Bühnentier“ in der Titelrolle vollauf gerecht und kostete dabei nicht nur die zum fauchenden Zickenkrieg sich steigernde Schlussszene im Finale des ersten Aktes aus, sondern auch den Läuterungsprozess einer sündig gewordenen Katholikin vor dem Hinrichtungstod. Gesanglich fand Damrau zu dramatisch bewegten Tönen und verinnerlichtem Ausdruck, war höhensicher und bewegte sich bruchlos durch die Register. Nicht ausnahmslos alles gelang technisch perfekt. Serena Farnocchia als Protestantin Elisabeth formte mit volltönendem Sopran und gleichfalls frappierender schauspielerischer Durchschlagskraft einen Charakter, dem man in dieser Oper, ähnlich wie bei Schiller, weniger Sympathien entgegenbringt als Maria. Der Tenor Pavol Breslik, der noch soeben mit einer Erkältung gerungen hatte, schien sich anfänglich kräftemäßig etwas zurückzunehmen. Die Stimme gewann dann aber an Volumen und deklamatorischer Eindringlichkeit, so dass Breslik auch gesanglich glaubhaft machen konnte, dass sein Graf von Leicester, eigentlich Maria zugetan, zum Objekt der Eifersucht der englischen Königin werden konnte.
Fantasiebilder
Überzeugend auch der von Ernst Raffelsberger einstudierte Chor. Solistisch und chorisch hätte man sich manchmal ein weniger druckvolles Forte gewünscht. Unter Enrique Mazzola spielte die Philharmonia Zürich mit temperamentgesättigter Italianità und gut ausgehörten Soli. Regisseur David Alden und Ausstatter Gideon Davey erzählen kein Historiendrama. Sie rufen vielmehr Fantasiebilder herbei wie eine kolossale Pferdestatue, Geweihe als Kopfputz oder ein aus der Decke herabsinkendes Skelett, und leitmotivisch schwingt Cecil sein monströses Henkerbeil. Das ist – auch in den Farbkontrasten der Kostüme – nicht ungeschickt gemacht, und die Personenführung spitzt die Konflikte wirkungssicher zu. Das Setting im variierten Einheitsbühnenbild mit den vorgetäuschten Marmorwänden mutet allerdings mitunter auch etwas dekorativ an, und der Bezug zur Jetztzeit mit einem Chor, der an eine Anschlagsopfer beklagende Ad-hoc-Trauergemeinde aus unserer Zeit erinnert, wirkt etwas gewollt. tb
Nächste Vorstellungen (ca. zweieinhalb Std.) am 11., 14., 17., 20., 26. und 29. April. www.opernhaus.ch