Das Geheimnis liegt im Sichtbaren

Flatz Museum vereint Arbeiten der Fotokunststars Lisette Model, Diane Arbus und Nan Goldin.
Dornbirn Wer sich etwa an die zuletzt realisierten Präsentationen der Arbeiten von Nan Goldin in Berlin erinnert, weiß, dass die Besucher vor Ausstellungen mit Arbeiten jeder einzelnen dieser Künstlerinnen Schlange stehen würden, das Flatz Museum vereint nun Werke von Lisette Model, Diane Arbus und Nan Goldin derart, dass die Schau, die gerade in Dornbirn angelaufen ist, später von der Institution Westlicht in Wien und schließlich vom Museum der Moderne in Leipzig übernommen wird.
Der Grund ist leicht nachvollziehbar, handelt es sich bei den Fotokünstlerinnen als Vertreterinnen von drei Generationen doch nicht nur um Stars des Genres überhaupt, im Werk zeigen sich Bezüge, die eine Zusammenstellung sinnvoll machen, die Kurator Gerald Matt mit einigen Beispielen unternahm, die etwa aus der Sammlung Daniel Jelitzka und dem renommierten Gundlach-Archiv stammen.
Exzellente Zeitgeschichte
Die Auseinandersetzung mit dem Porträt, mit dem Alltag und den Lebenssituationen von Menschen verschiedener Gesellschaftsschichten, mit Szenerien abseits der Hochglanzmotive oder mit individueller Lebensgestaltung, mit Schwächen, Exzentrik, Krankheit und Elend sind bei Erwähnung der drei Namen bereits vielzitierte Themen. Dass das Geheimnis im durchaus Sichtbaren liegt und nicht erst der Projektion durch den Betrachter bedarf, ist ein von Oscar Wilde abgeleiteter Begriff, der über der Ausstellung stehen kann. Gerade in Österreich macht sie auch Zeitgeschichte erfahrbar. Lisette Model (1901-1983) wurde als Elise Amelie Felicie Stern in Wien geboren, zählte noch zu den Schülerinnen von Arnold Schönberg und emigrierte als von den Nazis Verfolgte im Jahr 1938 mit ihrem Mann in die Vereinigten Staaten. Nachdem sie damals schon als Fotografin Anerkennung gefunden hatte, ließen sich zahlreiche Persönlichkeiten von ihr ablichten. In der Folge unterrichtete sie an verschiedenen Hochschulen, wo auch Diane Arbus (1923-1971) zu ihren Schülerinnen zählte.
Aufschrecken
„Lisette befreite mich von meinen bürgerlich-puritanischen Vorurteilen. Fotografien, die Bewunderung verdienen, haben die Kraft aufzuschrecken“, hielt diese fest. Arbus entwickelte schließlich einen Stil, der für das Brechen von Konventionen steht, der die Auseinandersetzung mit dem bewussten Vorzeigen oder dem engagierten Aufzeigen schürt. Die kleine Auswahl in Dornbirn liefert eindrückliche Beispiele für die Kraft, die den Bildern innwohnt, mit denen sie als erste amerikanische Fotografin an der Biennale in Venedig vertreten war oder die es noch in den späten 1970er-Jahren auf die Weltkunstschau Documenta in Kassel schafften. Dass die Arbeiten von Arbus zu den Ikonen der Fotokunst zählen, bewies auch eine Ausstellung, die erst vor wenigen Jahren im Jeu de Paume in Paris gezeigt wurde.
Respekt
Inwieweit Mitgefühl ein Faktor ist, bleibt bei Arbus weitgehend unbeantwortet, während etwa Nan Goldin (geb. 1953) Distanziertheit wie Anteilnahme höchst subtil zum Ausdruck bringt. Schonungslos ist die Umsetzung der Themen Drogenkonsum, Sexualität, Verwahrlosung, Missbrauch oder Schönheitszwang allemal, aus Goldins Arbeiten spricht aber stets jener Respekt, der ihr Werk von billigen Provokationsabsichten befreit. Dass wir uns immer mit der Frage zu beschäftigen haben, was denn schön ist und wie sich die Definition von Schönheit verändert, ist offensichtlich. Die Ausstellung „Die Kamera ist grausam“ liefert eine hervorragende Gelegenheit dazu.

Geöffnet im Flatz Museum in Dornbirn, Marktstraße 33, bis 30. Juni, Fr., 15 bis 17 Uhr, Sa, 11 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung: info@flatzmuseum.at