Meisterhaft gebaute, starke Geschichte

Roman Unter dem lapidaren Titel „Jud“ lässt der Ich-Erzähler namens Titus Springs Slapstick-artige Szenen mit erschütternd realen, antisemitischen Erlebnissen in Vergangenheit und Gegenwart Revue passieren. Titus lebt in einer eher kläglichen Situation in Manchester. In seiner Beziehung fehlt Liebe, in seinem Portemonnaie das Geld. Er nimmt deshalb einen schlecht bezahlten Job als Fotograf bei der Weltausstellung in Brüssel an, und soll mit einem Reporter zusammenarbeiten, der für die Berichterstattung zuständig ist.
Als erste „Arbeit“ schlägt er vor, den Programmentwurf zu erledigen. Der läuft hauptsächlich über das Streichen möglicher Besichtigungen, im Falle Deutschlands zum Beispiel mit dem Argument „Man macht keine Hausbesuche bei Serienmördern“. Erika, eine Assistentin, die er bei der Besichtigung des österreichischen Pavillons kennenlernt, weckt sein Interesse für Spitzenerzeugnisse der Wirtschaft, sie genießen zudem die Darbietung von Meisterwerken heimischer Komponisten.
Beim Vortrag von Schuberts „Winterreise“ verliert Titus vollständig seine Fassung. Weinend und stolpernd flüchtet er in den nächsten Saal. Die Melodie löst in Titus erschütternde Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend aus, denn er stammt aus einer Wiener jüdischen Familie und wurde ins englische Exil geschickt, was ihm das Leben rettete.
Erika versteht die Zusammenhänge, worauf sie sowie der Reporter Titus drängen, sich einer Reise nach Wien zu stellen. Er folgt ihrem Rat und die Lösung ergibt sich wie in einem Krimi durch Antworten auf Fragen, die ihm zuvor noch nie gestellt wurden. Salg
„Jud“, Georg Thiel, Verlag Braumüller, 220 Seiten.