„Rechts-und-links-Denken ist Bullshit“

Mika Rottenberg versucht Orte zu schaffen, die eine psychologische Dimension haben, aber auch subversiv sind.
BREGENZ Die Künstlerin Mika Rottenberg war bereits bei nahezu allen wichtigen Ausstellungen weltweit vertreten. Ihre Arbeiten sind so hochpolitisch wie philosophisch, und obwohl sie mittlerweile sehr bekannt ist, überrascht sie in Vorarlberg mit einigem Neuen.
Was war Ihre erste Idee beim Gedanken an eine Ausstellung im Kunsthaus Bregenz?
Rottenberg Mein erster Gedanke war: „Wow, was kann ich in diesem Gebäude machen?“ Das Haus für sich ist eine starke Setzung, es hat so viel Schönheit und Einfachheit und strahlt Reinheit aus.
Ihre Installationen sind ebenfalls häufig begehbar und gebaut. Gibt es Bezüge zwischen der umgebenden Architektur des Kunsthauses und den Arbeiten als eingestellte Architektur?
Rottenberg Das war etwas, worüber ich lange nachgedacht habe. Ob die Architekturen, mit denen ich normalerweise arbeite, unterschiedlicher, anders sein könnten als das Gebäude hier mit seinen puristischen Materialien. Meine Arbeit setzt sich im Gegensatz dazu ganz stark mit Künstlichkeit auseinander. Nichts ist rein, es entwickelt sich alles im Prozess, sodass ich dachte: Hey, das könnte ein interessanter Kontrast sein!
In den Installationen gibt es Elemente wie Tunnels, durch die man kriechen muss, die klaustrophobische Gefühle wecken, eine Drehtür, durch die man sich zwängen muss, wie um in eine andere, verbotene Welt zu gelangen. Symbolisieren diese Teile etwas?
Rottenberg Es gibt keine Symbolik in meinem Werk, die Dinge sind, was sie sind. Ich versuche Orte zu schaffen, die eine psychologische Dimension haben, aber auch subversiv sind. Man taucht in den Untergrund ab.
Ist die Ausstellung im Kunsthaus Bregenz als eine große Installation, als Einheit zu sehen?
Rottenberg Nein, die Ausstellung ist zwar eigens fürs Haus konzipiert, versammelt aber einfach verschiedene Arbeiten, die sich am Ende zu einem großen Ganzen fügen.
Gibt es abseits der Architektur auch einen Bezug zum Ort, zu Bregenz, zu Vorarlberg?
Rottenberg Es gibt die Käse-Sonderedition „Cheese Unlimited“.
Wollten Sie immer schon eine Käse-Edition machen?
Rottenberg Ja, natürlich. Das war immer mein Plan B., Käse herstellen. Aber wenn, dann würde ich wahrscheinlich Ziegenkäse produzieren.
Jetzt produzieren Sie aber Filme, die zu Skulpturen werden, und Skulpturen, die kinematografische Qualitäten haben.
Rottenberg Das stimmt, die Arbeiten haben etwas von beidem. Ich bezeichne meine Arbeiten als zeit- und raumbezogen.
Der Körper spielt in Ihren Arbeiten eine große Rolle. Ist er unser Instrument, um die Welt zu erfahren und zu vermessen?
Rottenberg Ich glaube, dass die physische Erfahrung durch nichts wettgemacht werden kann. Auch das Hören ist ein dreidimensionales Erlebnis. Fünf von sechs Sinnen – das Sehen lasse ich beiseite – haben für mich ganz stark mit körperlichen Erfahrungen zu tun. Es klingt vielleicht komisch, wenn ich als Künstlerin den Sehsinn ausschließe, aber in meinen Arbeiten geht es um mehr als um das Wahrnehmen von Rot und Blau.
Wieso bezeichnen Sie die Protagonisten in den Videofilmen als „Talente“?
Rottenberg Ganz einfach, weil sie bestimmte Fähigkeiten haben, wie beispielsweise, ihren Körper auf eine besondere Art einzusetzen. Es inspiriert mich aber auch, wenn sich ein Mensch in seiner Haut sehr wohlfühlt.
Manche Geschichten hinter Ihren Werken sind skurril, aber wahr. Wie kommen Sie zu solchen Storys?
Rottenberg Ich stoße einfach darauf. Zufällig. Das hat mit Glück zu tun wie vieles in der Kunst.
Die Produktion von allerlei Waren, Kreisläufe, Kapitalismus und Kommerz sind große Themen in Ihrem Werk, die aber in magische, surreale und sehr sinnliche Bilder verpackt werden.
Rottenberg Wir können den Kapitalismus nicht einfach negieren, wenn wir mittendrin leben. Dieses Rechts-und-links-Denken, das Kategorisieren in Sozialismus und Kapitalismus ist längst überholt, das ist Bullshit.
„Ich glaube, dass die physische Erfahrung durch nichts wettgemacht werden kann.“
Zur Person
Mika Rottenberg
Geboren 1976 in Buenos Aires, aufgewachsen in Israel
Wohnort New York
Ausbildung Beit Berl College of Arts in Israel, School of Visual Arts in New York, Columbia University
Ausstellungen unter anderem Magasin III, Stockholm; Israel Museum, Jerusalem; Palais de Tokyo, Paris; Biennale Venedig 2015; Skulptur Projekte Münster 2017
Die Ausstellung ist im Kunsthaus Bregenz bis 1. Juli geöffnet, Di bis So, 10 bis 18 Uhr, Do, 10 bis 20 Uhr, 10. und 21. Mai, 10 bis 18 Uhr, 31. Mai, 10 bis 20 Uhr.