Ein “schwarzes Schaf” wurde rehabilitiert

Kultur / 17.05.2018 • 21:10 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Die Solisten Nicola Benedetti, Jan Vogler und Martin Stadtfeld mit dem Royal Scottish National Orchestra. Die Meisterkonzertsaison 2018/2019 beginnt am 27. Oktober. JUrmann
Die Solisten Nicola Benedetti, Jan Vogler und Martin Stadtfeld mit dem Royal Scottish National Orchestra. Die Meisterkonzertsaison 2018/2019 beginnt am 27. Oktober. JUrmann

Royal Scottish National Orchestra sorgte mit Topsolisten für glanzvolles Finale.

BREGENZ Dass das Publikum bei einer Zugabe mitklatscht wie am Mittwoch, ist auch bei den Meisterkonzerten im Festspielhaus eine Seltenheit. Dafür müssen schon die Schotten mit ihren Dudelsackmelodien kommen, die in den Kopf und in die Beine gehen. Die Herzen der Zuhörer hat das fabelhafte Royal Scottish National Orchestra bereits zuvor mit einem Paket an orchestraler Brillanz erobert.

Der Klangkörper wird seit 2012 vom britisch-kanadischen Dirigenten Peter Oundjian (62) geleitet. Bei seinem ersten Auftritt gibt er zunächst den dynamischen Strahlemann, wandelt sich am Pult aber sofort zur starken, charismatischen Dirigentenpersönlichkeit. Damit führt er sein auf ihn fixiertes Orchester mühelos durch ein spannungsgeladenes Programm, dessen erste Bewährungsprobe mit einem Werk von Benjamin Britten souverän bewältigt wird. Die geniale musikalische Charakterisierungskunst in Form eines kontrastreich originellen Bilderbogens von „Four Sea Interludes“ aus seiner Oper „Peter Grimes“ entsteht in einer Intensität, die sich in ebensolcher Zartheit wie in extremen Kraftausbrüchen mit dem Paukisten als Showeinlage Luft verschafft.

Für Beethovens „Tripel-Konzert“, das schon zu Lebzeiten des Komponisten als „schwarzes Schaf“ galt, musste die veranstaltende Kulturabteilung tief in die Tasche greifen, denn es erfordert drei hervorragende Solisten. Da waren nun die Besten gerade gut genug. Die Schottin Nicola Benedetti (30) überrascht mit ihrem überlegenen Violinspiel, der deutsche Cellist Jan Vogler (54) erweist sich als kraftvoll führende Stimme im Trio. Vergleichsweise undankbar ist der einfacher gehaltene Klavierpart mit dem von der Schubertiade bekannten Pianisten Martin Stadtfeld (37), der sich bemüht, bei der gewählten Positionierung einen Blickkontakt mit den Kollegen zu erhaschen. Das beeinträchtigt die Präzision der Darbietung dank der starken Hand des Dirigenten nur unwesentlich. So entspannt sich zwischen den Solisten im Zuspielen der Themen und Läufe, aber auch mit dem Orchester ein edler Wettstreit, wie ihn sich Beethoven in seiner genialen Art der Melodienerfindung und Verarbeitung nicht schöner hätte ersinnen können.

Samtener Glanz

Der Jubel danach übertrifft bei weitem den Beifall nach der Symphonie Nr. 4 von Brahms, deren herber Charakter schon seine Zeitgenossen verstörte. Etwas von dieser Zurückhaltung ist beim Publikum bis heute spürbar und kann auch von dieser leidenschaftlichen Wiedergabe nicht gänzlich ausgeräumt werden, in der Oundjian und seine Musiker sich um Klarheit und Klangfinesse bemühen. Im Besonderen ist hier neben dem samtenen Glanz der Streicher und den gekonnten Holzpassagen mit der Soloflöte auch die geschlossen hervortretende Horngruppe zu erwähnen. Der Dirigent arbeitet viele faszinierende Linien und Verläufe heraus und baut konzentriert an den großen Spannungsbögen des Werks bis hin zum komplexen Finale mit seinen 30 Variationen über ein Thema von Bach. JU

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