“Herr Professor, es hat sich ausgezahlt”

Kultur / 10.06.2018 • 21:47 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Mit stehenden Ovationen verabschiedet: Pianist Helmut Deutsch und Schauspieler Hans Sigl am gestrigen Sonntagnachmittag im Markus-Sittikus-Saal in Hohenems. Schubertiade
Mit stehenden Ovationen verabschiedet: Pianist Helmut Deutsch und Schauspieler Hans Sigl am gestrigen Sonntagnachmittag im Markus-Sittikus-Saal in Hohenems. Schubertiade

Im Rahmen seines gefeierten Auftritts bei der Schubertiade erinnerte Hans Sigl an die Schulzeit in Vorarlberg.

Hohenems Eichendorff und Novalis, Uhland, Lenau, Turgenjew und Hebbel – in manchen Sekundarschulen wird die klassische bzw. romantische Literatur auch heute noch so vermittelt, dass die Bücher nicht im hintersten Regaleck verstauben, sobald die Abschlussprüfung bestanden ist. „Es hat sich ausgezahlt“, mit diesen Worten begrüßte Hans Sigl am gestrigen Sonntag im vollbesetzten Markus-Sittikus-Saal in Hohenems mit anerkennender Geste auch jenen Professor Walser, der ihn einst während seiner Gymnasialzeit in Feldkirch in Deutsch unterrichtete und das Interesse weckte, das schließlich die Studien- und Berufswahl beeinflusste.

Wie er in einem VN-Interview offenbarte, verbrachte der Schauspieler „ein schönes Jahrzehnt“ in Vorarlberg. Dass die Zeit nachhaltig wirkte, ließ der gebürtige Steirer, der nach einigen Jahren am Tiroler Landestheater vor allem mit Film- und Fernsehrollen, darunter als „Bergdoktor“, eine brillante Karriere hinlegte, das Publikum des Melodramenabends nicht nur durch einleitende Worte im Dialekt wissen, auch bei der Zugabe kam ans Licht, dass Hans Sigl ein authentisches Vorarlbergerisch spricht. Und nachdem diese Gratwanderung, nämlich Turgenjews melancholisches „Wie waren einst so schön, so frisch die Rosen“ alemannisch einzufärben, auch mit Hilfe der Anton-Arenski-Interpretation durch den Pianisten Helmut Deutsch ohne Verluste an Ernsthaftigkeit gelang, steigerten sich die Sympathiekundgebungen des Publikums zu stehenden Ovationen.

Liebe, Tod und Politik

Das Melodram hat Tradition, erfuhr im 19. Jahrhundert im deutschsprachigen Raum besondere Beliebtheit, erreicht dann etwa durch Schönberg eine Blüte und findet auch bei Zeitgenossen immer wieder Berücksichtigung. Im Rahmen der Schubertiade, in die der Abend mit Sigl und Deutsch eingebettet ist, stehen Schumann und Hebbel, Liszt und Lenau, Arenski und Turgenjew oder etwa Max von Schillings und Ernst von Wildenbruch konsequenterweise im Fokus. Liebe und Tod, Sehnsucht, Abschied oder das Versäumte sind die Themen. Deutsch und Sigl halten den eineinhalbstündigen (über Angaben im Programmheft hinausreichenden) Vortrag frei von Pathos, geben der Empfindsamkeit aber genügend Raum und verhelfen dem Reim zu schnörkelfreier Wirkung, sodass ein spannendes Nacherleben möglich wird. Von Schillings und Wildenbruchs um 1902 entstandenes „Hexenlied“ steht zurzeit, wie dem Programm deutscher Bühnen zu entnehmen ist, hoch im Kurs der Rezitatoren, der Verfasser von mehr oder weniger vergessenen Historiendramen prangert darin die fehlende Entschlusskraft eines Mönchs an, der es aus falsch verstandener Tugendhaftigkeit versäumt, einer zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilen Frau zu helfen. Hier ballen sich existenzielle Themen zu einem dichten Bild, das Hans Sigl und Helmut Deutsch mitreißend entschlüsseln. Die Romantik bietet Erhellendes, bestätigt Hans Sigl, der im Übrigen auch mit einem Verweis auf die blaue Blume als künstlerisch oder politisch-nationalistisch aufgeladenes Symbol Kornblumenträgern eigens das Gedichte-Lesen empfiehlt.

"Herr Professor, es hat sich ausgezahlt"

Nächstes Schubertiade-Konzert in Hohenems am 15. Juli (Avi Avital, Mandoline, Ksenija Sidorova, Akkordeon): www.schubertiade.at

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