Von Punk und dem Eis am Rande des Kraters

Mein Leben als Tennisroman
Andreas Merkel,
Blumenbar Verlag,
359 Seiten
Die Populärkultur hinterlässt einen interessanten literarischen Abdruck.
Romane „Mein Leben als Tennisroman“ nennt sich das neue Werk von Andreas Merkel: Arthur Wilkow, gebildet und ein bisschen wahnsinnig, setzt sich in den Kopf, über sein Leben als „autobiographischen Tennisroman“ zu schreiben. Was ist jedoch, wenn der Ich-Erzähler nicht wirklich Tennis spielen kann, zumindest nicht so, dass es sich als tragendes Element für einen Roman lohnen würde? Dann tut er so als ob, schreibt bunte Geschichten, die mit dem Leben am Court zu tun haben, und nennt es am Ende des Tages einen Pop-Roman. Ob das gut gehen kann, fragt man sich eigentlich den ganzen Roman hindurch. Durchaus realistische Passagen, die zum Beispiel das Leben talentierter junger Spieler zeigen, werden von Kapiteln mit viel Orientierungslosigkeit abgelöst. Natürlich, die große Belanglosigkeit möglichst bunt und glitzernd darzustellen, ein Fluidum literarisch einzufangen, ein Lebensgefühl zu manifestieren, das ist die eine Sache. Einen Roman daraus zu basteln, die andere. Hier scheitert der Autor ziemlich genial, der Roman will mit allen eingeräumten Freiheiten nicht in Schwung kommen. Schade, wer jedoch die Pflicht dermaßen vernachlässigt, kann in der Kür nur scheitern, um in der sportlichen Pop-Sprache zu bleiben.
Dabei kann man bezüglich der Populärmusik und ihren Strömungen durchaus konkret werden. Richard Gleim war so etwas wie der Chronik-Fotograf der deutschen Punk- und New-Wave-Bewegung. Seine Bilder genießen Kultstatus, werden seit der Documenta 7 immer wieder gezeigt, seine Ausstellung „Zurück in den Beton“ wurde 2002 in der neuen Kunsthalle in Düsseldorf gezeigt. Nun nahmen sich die Künstler Xao Seffcheque und Edmund Labonté die Zeit und machten aus den wichtigen Dokumenten einen Bildband, „Geschichte wird gemacht – Deutscher Underground in den Achtzigern“. Hinzu kommen themenbezogene Texte, unter andrem von Bachmann-Preisträger Peter Glaser, Autorenurgestein Hans Nieswandt und Katja Kullmann.
Chaos und Ordnung
Was gibt’s zu sehen? Sehr viele Konzert-Fotos, die wunderbar ungeschönt abgedruckt wurden. Das schaut nun zum Großteil nach Probekeller aus und das ist auch gut so. Trotz des Erscheinungsbildes, immerhin ging es bei Punk um die bis dato grellste Jugendbewegung, leben die Bilder geradezu von einer Nüchternheit und der Neigung, Meinung kundzutun. Diese Natürlichkeit ist in Zeiten von Instagram und anderen Egoplattformen ein wahrer Segen. Hinzu kommt die viel zitierte Unschuld einer jeden Jugendrevolte. Klar, dennoch sei hier hervorzuheben, dass die Punkbewegung die erste Jugendkultur war, die radikale Statements von lohnabhängigen Jugendlichen zuließ, wie Katja Kullmann richtig schreibt. Natürlich, durch den Rückspiegel betrachtet erklärt sich einiges, aber eine gewisse Ordnung scheint es Anfang der 1980er-Jahre noch gegeben zu haben, die durch die Entwicklung ab den 1990er-Jahen abhandenkam. Punk war Lava, New Wave war das Eis am Rande des Kraters, wie der „Exil-Österreicher“ Peter Glaser sinngemäß schreibt. Die beigelegte CD eignet sich zum Mithören.

Geschichte wird gemacht
Ar/Gee Gleim,
Heyne Hardcore,
244 Seiten
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