ÖVP ist der Steuermann
Viel wird – wie ich meine: mit Recht – an der Politik der Freiheitlichen Partei kritisiert, das Land sei sozial kälter geworden, seit die Blauen in der Regierung sitzen, viele neue Gesetze und Regelungen seien geradezu unmenschlich, oft auch gegen die Verfassung, weshalb es derzeit auch Verfassungsklagen hagelt. Besondere Zielscheibe sind Innenminister Herbert Kickl und Sozialministerin Beate Hartinger-Klein, die die ganze Regierung – und auch die Bundesländer – mit immer noch härteren, immer noch brutaleren Gesetzen vor sich hertreiben. Jüngstes Beispiel ist die neue Sozialhilfe, die die Mindestsicherung ablöst und die einen Aufschrei unter nahezu allen Sozialeinrichtungen des Landes auslöst. Allein die Wortwahl irritiert: Wollte man bisher die mindestens notwendigen Anforderungen zum Leben absichern, so werden die Menschen heute zu Sozialempfängern gestempelt.
Es gäbe viele Entscheidungen, die zu Protesten Anlass geben würden – aber man kann gar nicht mehr so schnell protestieren, wie da neue Grausamkeiten aus Wien verkündet werden. Und so wird ein Schrecknis vom nächst größeren verdrängt, womit schließlich die früheren gar nicht mehr im Gedächtnis hängen bleiben. Dass dem so ist, wissen auch die Mitglieder der Bundesregierung – und sie setzen dieses Wissen strategisch ein.
„Die Sonntagsdemonstrationen im Land zeigen, dass es hier viele engagierte Mitbürger gibt.“
Nun haben wir von der FPÖ vielleicht nichts anderes erwartet, da haben uns die verschiedenen Meldungen von rechtsradikalen Ausrutschern bis zu Ankündigungen wie „Sie werden sich noch wundern, was alles möglich ist“ (Norbert Hofer) schon vorbereitet. Das eigentliche Problem aber ist die ÖVP mit Bundeskanzler Sebastian Kurz an der Spitze. Denn Kurz scheint es nur um eines zu gehen: Er will Bundeskanzler bleiben. Und dafür scheint er auch bereit zu sein, alle christlich-sozialen Überzeugungen auf dem Altar der Machterhaltung zu opfern.
Und in Vorarlberg? Mit dem Auge auf die Landtagswahl am 22. September will sich auch Landeshauptmann Markus Wallner nicht vom scheinbar erfolgreichen Weg des Sebastian Kurz trennen. Und so stimmt man fast allem zu, was aus Wien kommt. Auch der neuen Sozialhilfe, die das bisher erfolgreiche Vorarlberger Modell ablösen soll. Wallner möge vorsichtig sein: Die Sonntagsdemonstrationen im Land zeigen, dass es hier viele engagierte Mitbürger gibt, die nicht mit allem einverstanden sind, was ihnen vorgesetzt wird. Und die wissen: Die ÖVP sitzt nicht nur im selben Boot wie die Freiheitlichen, die ÖVP stellt auch den verantwortlichen Steuermann. Und der ist für den Kurs zuständig.
Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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