Arbeiten von Roland Stecher passen perfekt ins Ausstellungskonzept im Otten Kunstraum

Kultur / 22.03.2019 • 11:30 Uhr / 4 Minuten Lesezeit
Roland Stecher ist Künstler, Grafiker und Ausstellungsgestalter. Stecher
Roland Stecher ist Künstler, Grafiker und Ausstellungsgestalter. Stecher

„Emergent“ lautet der Titel der elften, am Donnerstagabend eröffneten Ausstellung im Otten Kunstraum.

HOHENEMs Roland Stecher ist Grafiker, Ausstellungsdesigner und Installationskünstler. Er hat das Gesicht erfolgreicher Ausstellungen im Vorarlberg Museum ebenso geprägt wie die Szenografie im Jüdischen Museum. Als Künstler und Erfinder einer neuen Bildsprache kann man den 56-Jährigen nun mit grossformatigen Zeichnungen in Hohenems entdecken.

„Emergent“ lautet der Titel der elften Ausstellung im Otten Kunstraum. „Emergenz“ bezeichnet in der neueren Philosophie das Phänomen, dass sich manche spontan und unvorhersehbar auftretenden Eigenschaften eines Systems nicht allein aus seinen Teilen erklären lassen. Auch Roland Stecher hat dieses Ganze, das mehr als die Summe seiner Teile ist, im Sinn. Den künstlerischen Ausgangspunkt und die Basis des Werks bildet das ausgeprägte Interesse des Künstlers für die Linie. Wie weit diese Faszination für die Linie im Raum zurückgeht, zeigt eine kleine, fotografische Dokumentation früherer Arbeiten und Installationen Stechers im Foyer. Aber eigentlich gilt sein Augenmerk der Form bzw. jenem Punkt, an dem sich Formen bilden, wenn der Künstler die Linie als reduzierte Grenze einer Form begreift und definiert. In seiner jüngsten Werkserie, an der Roland Stecher in seinem Atelier in Götzis die letzten fünf Jahre fast im Verborgenen gearbeitet hat, dominieren Kreissegmente. Diese vermitteln ungleich mehr Bewegung und Dynamik als die konstruktive Gerade und eröffnen, so der Künstler, eine andere geometrische Welt. Wenn er sich selbst einordnen müsste, würde es auf die Bezeichnung „expressiver Konstruktivismus“ (oder „konstruktiver Expressionismus“?) hinauslaufen, meint Roland Stecher. Womit seine Arbeiten perfekt in die Philosophie und ins Ausstellungskonzept des Otten Kunstraum passen.

Lebendige Imperfektion

Die Perfektion und die strenge Geometrie der Konstruktiven ist Stecher jedoch fremd. Seine von Hand, mit der ganzen Bewegung des Körpers durchgängig gezogenen Linien, sind höchstens Annäherungen an die perfekte Form des Kreises. Vielmehr leben die Schwünge von eben jenen kleinen Abweichungen und jenem Spannungsmoment, das in der Imperfektion begründet ist. Reduziert, minimalistisch sind auch die Titel der Werke wie „Zwölf“, „Achtzehn“, „Dreiunddreissig“: Der Künstler nummeriert seine Zeichnungen durch. Als harter, glatter und unnachgiebiger Bildträger dienen Holztafeln, auf denen Roland Stecher mit Pigmentkreide Linie um Linie setzt. Dabei geht Form, sprich Linie, vor Farbe.

Überlagerungen, Schichtungen, Berührungen, Konzentration und Auflösung – nicht nur in der Verdichtung ist die Zeit eingeschlossen. Auch die Kennzeichnung der Linie durch einen Anfang und ein Ende bringt diese Dimension der Zeitlichkeit ins Spiel. Manche Arbeiten wirken wie Fenster oder Ausblicke in die Tiefen eines schwerelosen Raums. Und noch während man sich als Betrachterin und als Betrachter die Linien und Kreissegmente über den Bildrand hinaus weiterdenkt, ist Roland Stecher schon einen Schritt voraus. In einem Modell übersetzt er die gezeichneten Linien in eine Installation, in der man zum Flaneur zwischen den Linien wird. Ariane Grabher

Geöffnet im Otten Kunstraum, Schwefelbadstrasse 2, in Hohenems, bis 31. Oktober, Termine nach Vereinbarung, Tel. 05576/90400 oder mail@ottenkunstraum.at

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