Das Leben ist hart und nicht herzlich

weg
Doris Knecht, Rowohlt, 300 Seiten
Die Vorarlbergerin Doris Knecht schreibt über ihre Generation.
Roman Die Generation X ist erwachsen geworden, eigentlich. Zumindest dem Alter nach müsste sie es jetzt sein. Menschen zwischen vierzig und fünfzig, vielleicht ein bisschen älter, aber nicht über Sechzig: Die Autorin Doris Knecht kommt aus dieser Generation, und legt mit „weg“ einen Roman als eine Art Roadmovie zur Selbstfindung vor.
Knechts Roman handelt von zwei Erwachsenen, von Heidi und Georg. Sie lernten sich in den 80er-Jahren in Wien kennen und trennten sich nach einer kurzen, intensiven Zeit wieder. Georg lebt nun im Kamptal und leitet das Wirtshaus seiner Eltern nach heutigen Maßstäben, urig, dafür mit einer ausgezeichneten Küche, gerade so, dass sich die Wiener, die am Wochenende aufs Land flüchten, wohlfühlen. Heidi und Georg leben mittlerweile in unterschiedlichen Welten mit unterschiedlichem Beziehungsstatus, Georg ist nun mit Lea zusammen, sie schupfen gemeinsam das Wirtshaus. Heidi ist nach ihrem Wien-Abenteuer zurück nach Frankfurt gegangen und hat gerade eine Trennung von Martin hinter sich, soll vorkommen. Es gibt jedoch eine Angelegenheit, die die beiden ein Leben lang verbindet: ihre Tochter Charlotte.
Charlotte war eigentlich immer ein bisschen anders, als die anderen Kinder. Sie brauchte immer etwas mehr Zuwendung, die sie jedoch mit Ablehnung quittierte. Eine schwierige Kindheit folgt einer noch schwierigeren Jugend. Charlotte war eine, die eher im Park mit düstern Jungs und Mädels herumstand, als sich im Turnverein zu vergnügen. Depressionen brachten sie in die Klinik, nach der Rückkehr in das „normale Leben“ war die Welt für sie nicht einfacher und ihre Mutter hatte alle Hände voll mit ihr zu tun. Aber irgendwie gelang es doch, dass Charlotte sich integrierte und maturierte, wenn auch nur mit dem Ziel, aus der tiefen deutschen Provinz nach Berlin zu gehen, um zu studieren. Diese Tochter ist nun verschwunden, nach Vietnam, einfach abgerissen, ohne ihren Eltern Bescheid zu geben. Ein Rückfall? Auf alle Fälle bringt diese neue Situation ihre Erzeuger wieder in Kontakt. Sie beschließen, nach Vietnam zu fliegen, um sich auf die Suche nach ihrer Tochter zu machen.
Doris Knechts Roman lebt im Grunde von der Rückblende in die gute alte Zeit, die nie gut war. Sie beschreibt sehr gelungen das Fluidum einer Generation, die im Grunde alles hatte, außer einer Revolution. Eine Generation mit allen Freiheiten, dafür ohne zwingenden Wegweiser. So schreibt die Autorin über junge Menschen, wie sie in Plattenläden gehen, in der neuformierten Lokalszene kellnern und auf Flohmärten allerhand Kurioses zusammenschnappen. Sich in Beziehungen stürzen zu können, ohne sich an gesellschaftliche Vorgaben halten zu müssen, bedeutet nicht zwangsläufig, dass diese dann auch funktionieren. Die Protagonisten Heidi und Georg können ein Lied davon singen.
Flapsig und präzise
Angekommen in der Jetzt-Zeit, in der zumindest Georg einen tieferen Lebenssinn entdeckt hat, verschwindet die Tochter und mit ihr brechen alte Wunden wieder auf. Das Leben ist eben seit jeher schwierig und ist als Erwachsener nicht weniger anstrengend, obwohl ihre Protagonisten noch immer ziemlich jung in ihren Denkweisen sind.
Sprachlich muss man der Autorin nichts vormachen. Der Roman ist zum einen im gekonnt flapsigen Reportagen-Stil gehalten, zum anderen kann man von präziser Literatur sprechen. Die unterschiedliche Art zu schreiben ergibt sich aus den verschiedenen Charakteren. Sie lässt hier einen gewissen Lebensschmerz zu, ohne den Roman darin zu ertränken. Die knappen Absätze sorgen für ein gutes Vorankommen. Und ja, Reisen nach Asien können sehr anstrengend sein, das Leben in Wien und im Umland auch. maw
Du hast einen Tipp für die VN Redaktion? Schicke uns jetzt Hinweise und Bilder an redaktion@vn.at.