Dvoráks Stabat Mater wurde durch die Vorarlberger Chorakademie zum Klangereignis

Die Zuhörer in der Kapelle des Konservatoriums kamen am Samstagabend aus dem Staunen nicht heraus.
FELDKIRCH Ohne den einsamen Gipfelpunkt toppen zu wollen, den er mit seiner Chorakademie zum zehnjährigen Jubiläum im Vorjahr mit Bachs h-Moll-Messe erklommen hat, gelang Markus Landerer am Samstag auf andere Weise erneut ein in seiner Größe und Wirkung imponierendes Chorprojekt. Die Sängerinnen und Sänger wurden nach Bachs barocker Strenge einfach stilistisch ins Gegenteil verkehrt, mit der romantischen, oft fast verklärten Deutung, die der Tscheche Antonin Dvorák im Stabat Mater (1878) als seinem berühmtesten geistlichen Werk zur Vollendung gebracht hat. Eine bis vorne dicht gedrängte Zuhörerschaft in der Kapelle des Konservatoriums kam 90 Minuten lang aus dem Staunen nicht heraus, was dieses groß besetzte, über 150-köpfige Ensemble mit Solisten und der Sinfonietta Vorarlberg in einer maßstäblichen Aufführung an Glanz und Innerlichkeit einbrachte.
78 Sängerinnen und Sänger
Es bestätigt sich im Rückblick auf die bisherigen elf Aufführungen der Chorakademie, dass neben Barock und Klassik mit sechs Werken im Bereich der Romantik dort zweifellos auch der Schwerpunkt im Repertoire zu sehen ist. Diese Musik liegt den derzeit 78 vorgeschulten Sängerinnen und Sängern aus der Region besonders. So ist auch Dvoráks tief gläubiges, mit großer Eindringlichkeit komponiertes Leidensbekenntnis Mariens unter dem Kreuz zwangsläufig als Summe einer konsequenten Entwicklung des Chors zu betrachten. Gerade dafür eignet sich diese auf die mittelalterliche lateinische Marienklage eines unbekannten Dichters zurückgehende Vertonung ideal, für die sich die volkstümliche deutsche Übertragung „Christi Mutter stand mit Schmerzen“ eingebürgert hat. Dvorák hat dafür aus eigener schicksalhafter Erfahrung in zehn Abschnitten Klangbilder von dramatisch bewegenden oder innig betrachtenden Stimmungen entworfen, die zu einem großen Wurf gebündelt werden. Doch der Schmerz verwandelt sich bei ihm nicht in Tod und Hoffnungslosigkeit, sondern lässt auch Trost und gläubige Zuversicht zu.

Gleich der Beginn dringt in weite dynamische Bereiche vor, wenn Solisten, Chor und Orchester ihrem Schmerz gemeinsam in einem dreifachen Fortissimo Luft machen, das die Kapelle fast zum Bersten bringt. Dabei bleibt alles stets kultiviert, in einem geschlossenen Chorklang von guter Diktion, Homogenität, Wärme und sauberer Intonation, wie ihn Landerer in seiner unnachahmlich motivierenden Art und mit ständig fordernden Blickkontakten wie ein großes vokales Instrument formt. In den Chören erhalten die Sänger weitere Momente zur Entfaltung, die zahlenmäßig überlegenen Frauen vor allem in den lieblich hellen, lyrischen Teilen „Tui nati vulnerati“ und „Virgo virginum praeclara“. Gerade hier findet der qualitätsvoll gearbeitete Vokalpart auch seine Entsprechung in der satt und farbig aufspielenden Sinfonietta Vorarlberg, die mit feinem Streicherglanz und verhalten agierenden Bläsern diesmal zu großen symphonischen Dimensionen auffährt.
Solisten von erster Güte
Auch die international besetzte Riege der Solisten, die vor allem in einem profunden gemeinsamen Quartett Farbe bekennen müssen, ist von erster Güte. Alle besitzen die Routine ihrer großen, tragenden Stimmen, bleiben aber stets im Oratorischen geerdet und driften nie ins Opernhafte ab. Die hier lange bewährte ungarische Sopranistin Tünde Szabóki ist technisch exzellent, brilliert mit Leidenschaft, Verstand und makellosen Spitzen. Mit dunkel gurrenden Tönen und großem Ausdruck zeigt die ungarische Mezzosopranistin Szilvia Vörös in ihrer großen Arie „Inflammatus et accensus“ großes Format. Der chilenische Tenor Leonarado Navarro gefällt mit schönem Metall in der Stimme in seiner Arie „Fac me vere tecum flere“ im Dialog mit den Männerstimmen, der bulgarische Bass Apostol Milenkov besitzt Tiefe und Durchschlagskraft für die Arie „Fac, ut ardeam cor meum“.
Eine Wucht ist das Finale, in dem die von den Solisten angestimmten Verheißungen des Paradieses von einem bis zu zwölfstimmigen Chor-„Amen“ gekrönt werden. Fritz Jurmann
Eine weitere Aufführung des „Stabat mater“ von Dvorak neben jener am Sonntagabend in Altstätten wird kommenden Samstag, 20.30 Uhr, gemeinsam mit dem Wiener Domchor in St. Stephan in Wien stattfinden.
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