“Diorama::Der letzte Mensch” in Bregenz: Ein Theaterstück für jeweils einen Zuschauer

Kultur / 07.05.2019 • 14:30 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
"Diorama::Der letzte Mensch" in Bregenz: Ein Theaterstück für jeweils einen Zuschauer
Der deutsche Regisseur Bernhard Mikeska nimmt sich vorwiegend Biografien an. ACKERMANN

Landestheater setzt auf ein spannendes Format und erzählt von Menschen, die hier gelebt haben.

Bregenz In München ist es Liesl Karlstadt (1892-1960), die Schauspielerin und Kabarettistin, deren Begabung Karl Valentin zwar erkannte und zeitweilig anerkannte, ihr aber auch übel mitspielte. Der deutsche Regisseur Bernhard Mikeska, Mitglied des Ensembles „Raum + Zeit“, nimmt sich vorwiegend Biografien an. Am Berliner Ensemble ist es demnächst Ruth Berlau (1906-1974), die Schauspielerin, Regisseurin, Schriftstellerin und maßgebliche Mitarbeiterin von Bert Brecht. Wer die Arbeiten des Mikeska-Teams sehen will, wird sehr oft nicht in Theaterhäuser geladen, sondern an Orte des Geschehens oder setzt sich eine VR-Brille auf.

Der Schauplatz in Bregenz ist demnächst das Magazin 4, die Personen, die dort anzutreffen sind, ist ein Mann, der vor rund 5000 Jahre lebte, ist die Malerin Stephanie Hollenstein (1886-1944), ist Polizeihauptmann Paul Grüninger  (1891-1972) und ist Emilie Kraus (1785-1845), eine Geliebte von Napoleon, die eine Zeitlang in Bregenz lebte. „Ich hasse Mitmachtheater“, sagt Mikeska beim Gespräch mit den VN. Zum Mitmachen aufgefordert wird niemand, der sich für eine der Aufführungen mit dem Titel „Diorama Bregenz::Der letzteMensch“ angemeldet hat, die ab 9. Mai vom Vorarlberger Landestheater ausgerichtet werden. Wer kommt, sollte aber wissen, dass er mit den Schauspielern allein in einem Raum bleibt, quasi ein Museum betritt, in dem die ausgestellten Figuren zu sprechen beginnen, vielleicht auch Fragen stellen. „Es ist ein Abend mit vier Figuren, aber eigentlich inszenieren wir eine Begegnung zwischen den Zuschauern und den Menschen, die dargestellt werden. Jeder geht hinein und erlebt diese Situationen in einem direkten Verhältnis.“

Neugier schüren

Fragt sich, wie man auf einen etwa 7000 Jahre alten Urmann kommt, dessen Skelett in dieser Geschichte beim Bau des Pfändertunnels entdeckt wurde. Intendantin Stephanie Gräve bat Mikeska und seine Mitarbeiter, interessante Figuren aus der Region ausfindig zu machen. Der Urmann ist sozusagen der Ausgangspunkt, eine fiktive Figur, von der man ja nicht einmal weiß, wie sie gesprochen hat. Schauspieler Daniel Blum sieht somit zahlreichen, etwa zehn- bis zwölfminütigen Aufführungen entgegen, die jeweils ein wenig anders verlaufen können, „weil der Spielverlauf auch davon abhängt, wie die Zuschauer reagieren“.

„Wir arbeiten immer mit Biografien von Persönlichkeiten, die etwas mit dem jeweiligen Ort zu tun haben.“

Bernhard Mikeska

Es steht wohl nicht im Vordergrund, aber Mikeska bestätigt, dass man mit dieser Art von Theater Neugier schürt, dass auch Menschen angesprochen werden, für die der Theaterbesuch nicht selbstverständlich zur Alltagsgestaltung zählt.

Viel zu erzählen

Viel zu erzählen haben die gewählten Personen auf jeden Fall. Paul Grüninger hatte in der NS-Zeit Juden bei der Flucht in die Schweiz geholfen, ihnen ihr Leben gerettet. Er wurde verurteilt und vom Dienst suspendiert.  Erst Jahrzehnte nach dem Tod erfolgten der Freispruch und die Rehabilitierung. Die Malerin Stephanie Hollenstein hatte ein selbstbestimmtes Leben mit einer Partnerin geführt. Dennoch begeisterte sie sich für den Faschismus, trat der NSDAP bei und übernahm eine hohe Funktion, während sie sich nicht dem geforderten Malstil unterordnete. Emilia Kraus soll als Mann verkleidet Napoleon auf Feldzügen begleitet haben. Der Liaison entstammte ein Sohn. Mit einem Adelstitel und der Abfertigung, die sie vom Kaiser der Franzosen erhielt, der aus dynastischen Überlegungen die österreichische Erzherzogin Marie-Luise ehelichte, führte sie lange Zeit ein sorgenfreies Leben, das sie auch einmal nach Bregenz verschlug. Von vielen Tieren umgeben, was ihr den Namen „Hundsgräfin“ einbrachte, lebte sie schließlich in Salzburg. Sie starb verarmt, soll aber, wie Bernhard Mikeska recherchiert hat, stets „mit vollendeter Grazie“ aufgetreten sein.

„Diorama Bregenz::Der letzte Mensch“, ab 9. Mai im Magazin 4 in Bregenz: www.landestheater.org