Auf der Strickleiter in den Zirkustheaterhimmel

Österreich-Premiere der Campagnia Baccalà vermittelte Glücksgefühle im Freudenhaus.
Lustenau Wenn eine Einrichtung schon Freudenhaus heißt, dann sollte auch drinnen sein, was in großen Buchstaben über dem Eingang steht. Willi Pramstaller, Hausherr im Theaterzelt, das in diesem Jahr in die Frontreihe im weitläufigen Millennium-Park von Lustenau vorgerückt ist, beherzigt das immer wieder, er berücksichtigt aber auch, dass er von einem Publikum mit hohem Anspruch frequentiert wird, das schnell das Weite suchen würde, wenn er Theater aus dem Buchungskatalog anbietet oder wenn das Kabarettprogramm gesellschaftspolitisch zahnlos wäre. Dass ihm die Besucher längst vertrauen, zeigte sich nun bei der Österreich-Premiere der neuen Produktion der Compagnia Baccalà, bei der sich im vollbesetzten Haus eine Stimmung zeigte, die die hohe Qualität bestätigte: Mitunter hätte man eine Nadel fallen hören können, so still war es in einem Etablissement, in dem man unter Lustern an Tischen mit je nach Gusto gefüllten Gläsern Platz nimmt. Die spontanen Lacher und der Zwischenapplaus schienen zur Choreografie zu gehören, die Camilla Pessi und Simone Fassari erarbeitet haben, die einander in der mittlerweile legendären Dimitri-Schule trafen.
„Oh, oh“ versteht sich auch als kleine Hommage an die Stummfilmzeit, zumindest greifen Pessi und Fassari einige Elemente in den Gesten und in der Mimik auf. Hier wird aber nichts plump kopiert, sondern höchst kreativ in ein Bewegungsvokabular verwoben, das viele kleine Glücksmomente erzeugt, weil es uns mit kindlichem Spiel konfrontiert, mit jener Kraft der Fantasie, die Materie zum Leben erweckt, die verzaubert und aus der gute darstellende Kunst seit jeher schöpft.
Überraschend
Was qualitätsvolles Zirkustheater betrifft, hat das Freudenhaus in Vorarlberg bzw. in der Region eine Nische erobert, die Pramstaller kompetent besetzt. Auch das sei erwähnt. Und zudem ist darauf zu verweisen, dass sich Camilla Pessi und Simone Fassari selbstverständlich auch als ausgezeichnete Akrobaten erweisen. Bei aller Poesie, bei allen Feinheiten überzeugen sie mit enormer Kraft, die in vielen überraschenden Momenten zum Tragen kommt. So wird das profane Seilhüpfen zu etwas Besonderem und dass sich die Möglichkeiten, die eine Strickleiter bietet, noch lange nicht erschöpft haben, macht die Compagnia Baccalà unwiderstehlich klar. VN-cd
Nächste Aufführung der Campagnia Baccalà im Freudenhaus Lustenau (Millenniumpark) am 18. Mai, 20.30 Uhr.