Zum Strahlen, aber hier dürfen Männer weinen

Bregenzer Festspiele geben sich bei Probeneinblicken in die großen Produktionen auf dem See und im Haus erfrischend feministisch.
Bregenz “Frauenmusik” soll es geheißen haben, als “Don Quichotte” von Jules Massenet im Jahr 1910 in Monte Carlo uraufgeführt wurde. Dass man, abgesehen vom ärgerlichen Begriff, Klänge als sentimental erachtete, galt nicht unbedingt als Lob. Das Werk steht zwar nicht übermäßig oft auf den Spielplänen der Opernhäuser, hat sich aber durchgesetzt, zählt zu jenen, von deren Umsetzung Elisabeth Sobotka immer schon geträumt hatte, weil es, so die Intendantin der Bregenzer Festspiele, kaum eine bewegendere Figur als jene des Junkers aus La Mancha gibt, die Miguel de Cervantes einst geschaffen hat, und die Künstler insofern vor Herausforderungen stellt, als die Vorlage kaum Handlungsstränge enthält, sondern vielmehr aus Einzelszenen besteht. Als “Roadmovie” bezeichnete die französische Regisseurin Mariame Clément das Werk, das sie, wie schon bei einem kurzen Probeneinblick erahnbar, zu einer Theater-im-Theater-Lösung inspiriert hat, für die Ausstatterin Julia Hansen den großen Saal im Festspielhaus nachbaute. Eine Küche samt stylischen Lichtkörpern ist auch einmal zu sehen. Dass die unterschiedlichen Männerbilder, die in den Hauptfiguren zum Ausdruck kommen, in einen historischen Bilderbogen eingebunden sind, wird nicht verneint. Clément meinte scherzhaft, dass man mit ihrer Inszenierung quasi vier Opern für ein Ticket erhält. Die Musik sei effizient und wenn man sich um 1600 schon nach Zeiten sehnte, in denen Männer noch Männer waren, stelle sich die Frage, ob es diese Zeit überhaupt je gab. In Bregenz dürfen Männer jedenfalls weinen und laut dem einzigen Mann im Leading-Team, nämlich dem Dirigenten Daniel Cohen, lässt Massenet seine Intentionen klar erkennen. Wenn etwas möglicherweise sentimental klingt, dann müsse es so sein.
Bunt, grotesk, düster
Für den Titelhelden Gábor Bretz ist Don Quichotte eine Traumpartie. Unter den Künstlerkollegen auf der Seebühne findet er viele Gleichgesinnte. Mélissa Petit, die Gilda, wird des Schwärmens ob der “Rigoletto”-Szenerie nicht müde. Ob an einem der riesigen Finger hängend, ob auf schwankendem Boden, platschnass oder im aufsteigenden Ballon, die Französin hat die Seebühne bereits gut unter die Füße gekriegt. Regisseur und Bühnenbildner Philipp Stölzl betont mit seinem vielfach beschriebenen, ungemein bewegbaren Clownskopf, der zum Totenkopf werden darf, das Bunte, Groteske, Lustige und Düstere des Stücks über den frauenvernaschenden Herzog. Der böse Spaßmacher Rigoletto wird bestraft, jetzt muss nur der “La donna è mobile”-Schmetterer sein Fett abkriegen.
Die Premiere von Verdis “Rigoletto” auf dem See findet am 17. Juli statt. “Don Quichotte” von Massenet steht ab 18. Juli auf dem Programm: www.bregenzerfestspiele.com
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