Liebevolles, aber tonloses Requiem

Der Wiener Lukas Meschik hat jenes „Vaterbuch“ vorgelegt, aus dem er heuer in Klagenfurt las.
Prosa „Mein Vater ist ein Baum“, lautete der Titel des beim Bachmann-Preis leer ausgegangenen Textes. Wie sich zeigt, ist er das erste Kapitel jener Prosa, die der Verlag bewusst nicht als Roman ausgeschildert hat. Nachdem die beiden Brüder den Vater tot in dessen Küche aufgefunden haben, bewegt sich der Erzähler in weiterer Folge schreibend durch seine Trauerarbeit. Stets nimmt der Erzähler Bezug auf andere literarische Auseinandersetzungen mit dem Vater oder macht sich Gedanken über einen angemessenen Stil, der aus seiner Sicht möglichst nüchtern zu sein hat. Das Vaterleben wird als ein durchschnittliches gezeichnet, ebenso ereignis- wie bruchlos scheint die Vater-Sohn-Beziehung. Und so erfährt man vom Chaos in einem sonst geordneten Leben, von kaputt gewordenen und nie ersetzten Waschmaschinen und Fernsehern. Das Verhältnis zum Sohn scheint liebevoll, aber seltsam distanziert.
Bruchstückhafte Erinnerungen
Der Leser gräbt sich mit dem Erzähler durch viele Familienfotos, die bruchstückhafte Erinnerungen zutage fördern, erfährt, dass der Vater an Schlafapnoe litt, die ihm verschriebene Schlafmaske jedoch in seiner Wohnung verstauben ließ, und lernt die Eltern des Erzählers als gutmütige, aufmerksame Menschen kennen, die ihrem Sohn selbst den Schulabbruch nicht übel nahmen. Dessen Schreiben ist zu seinem Lebensinhalt geworden, minutiös lässt er seinen Alltag in das „Vaterbuch“ einfließen und erzählt von guten Taten, wie der aufmerksamen Rettung eines offensichtlich verwirrten Afghanen oder dem Rufen eines Rettungswagens für den sich am Boden windenden Nachbarn. Nach 200 Seiten ist klar: Das Abarbeiten am Vater bedarf eines Vaters, dessen Leben und Verhalten eine solche Abarbeitung geradezu aufzwingt. Ansonsten bleibt es ein liebevolles, aber tonloses Requiem.
“Vaterbuch”, Lukas Meschik, Limbus Verlag, 200 Seiten.
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