Noch ein anziehender „Reigen“ nach Schnitzler

Eine musikalische Lesung, die großes Theater ist? Für Franui ist das bei den Festspielen kein Problem.
Bregenz Franui? Wer die Bregenzer Festspielsommer schon ein bisschen länger begleitet, der kennt die Osttiroler Musicbanda. Da gab es einmal hier ein launiges Konzert im Kunsthaus, einmal dort Zeitgenössisches auf der Werkstattbühne. Wer noch nicht das Vergnügen hatte, Franui bei einer dieser Gelegenheiten kennenzulernen, der konnte das jetzt nachholen. Zum Beispiel mit Arthur Schnitzlers „Der Reigen“ als konzertantes Pendant zur Opernerstaufführung von „Der Reigen“ von Bernhard Lang im Großen Saal, der sich am Donnerstagabend mit Musik- und Literaturbegeisterten füllte. Aber was stellt Franui da nur an? Zum einen nahmen Andreas Schett und Markus Kraler Motive von Schubert, Strauß, Mahler, Satie oder Liszt und drehten sie durch die Franui-Musikmaschine. Dort kommt das Vertraute dann mit einer ganz eigenen Färbung wieder heraus – immer aber einfach eins a musiziert.
Zum anderen sind da dann die Schauspieler Regina Fritsch, die man u. a. vom Wiener Burgtheater kennt, und Sven-Eric Bechtolf, der – neben seinem Spiel – auch als Mann hinter der künstlerischen Ausrichtung der Salzburger Festspiele agierte. Ja, und wenn sich die einen mit den anderen zu einem gemeinsamen Projekt treffen, dann ist das Ergebnis eben etwas in der Art des Bregenzer „Reigens“.
Plastisch gewordene Figuren
Das heißt dann, dass Fritsch und Bechtof auf der Bühne sitzen – hinter ihnen nichts als der geschlossene rote Vorhang und natürlich die Musiker aus dem Osttirol, vor ihnen ein gespanntes Publikum. Dann geht es los. Der Soldat trifft auf die Dirne, dann auf das Stubenmädel, das sich schließlich zum jungen Herrn weiterhangelt, der ein Verhältnis zu einer ebenfalls jungen, aber auch verheirateten Frau unterhält. Und so geht es weiter, bis sich schließlich ein Graf am Ende doch wieder auf dem Sofa der Dirne wiederfindet. Schnitzlers Stück, in dem er 10 Paare in 10 Szenen zeigt, die alle auf den Sex zusteuern, ist ein amourös-gesellschaftskritischer Totentanz und war um die Jahrhundertwende das, was man einen Skandal nennen könnte. Das ist es heute sicher nicht mehr. Gut ist das Stück aber immer noch. Und Fritsch und Bechtolf sowieso – mehr noch, je weiter das Spiel, umso mehr steigerten sie sich sogar noch. Da entstiegen die Schnitzler’schen Figuren ganz plastisch dem reinen Text und überließen es dem Publikum, dort weiterzufantasieren, wo Schnitzler Gedankenstrichlein setzte.
Dazu, dazwischen, danach spielten Franui. Sie unterbrachen den Textfluss, setzten ihn fort oder unterstützten das Gesagte. Mal volkstümlich-zünftig, mal jazzend, mal durch die Zeilen walzernd. Und wo auf der einen wie auf der anderen Seite Qualität aufeinander trifft, ergibt das unterm Strich ein ganz zu Recht begeistertes Publikum. Das wurde dann mit einer urigen Geschichte der Marke Franui und dem Trauermarsch „In die Dunkelheit“ entlohnt. Ein eigenwilliges Finale? Vielleicht ja, aber eben typisch Franui. Veronika Fehle
Letztes Festspielkonzert in Bregenz mit dem Symphonieorchester Vorarlberg unter Ariane Matiakh, 18. August, 11 Uhr, Festspie
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