Ein Konzert mit Ian Bostridge ist pure Magie

Kultur / 25.08.2019 • 20:06 Uhr / 3 Minuten Lesezeit
Ian Bostridge im Angelika-Kauffmann-Saal in Schwarzenberg. schubertiade
Ian Bostridge im Angelika-Kauffmann-Saal in Schwarzenberg. schubertiade

Es ist nicht nur eine Rezensentenphrase, dass ein Künstler das Publikum „in seinen Bann schlägt“.

Schwarzenberg Der erste, hohe Ton der „Wallfahrt“ klingt fast wie von einer Frau, es könnte auch eine Altstimme sein. Ein perfekter Einstieg in das Grenzgängerische, das Bostridge-Konzerten immer anhaftet. Ian Bostridge ist ein Gesamtkunstwerk und ein Unikat unter den Sängern. Er verkörpert, was er singt, er durchleidet es. Seine expressiven Gesten und seine Körperhaltung sind eins mit seiner musikalischen Gestaltung. Er stellt seine ausdrucksvolle, farbenreiche Stimme und seine Intelligenz ausschließlich in den Dienst der Kunst. Im ersten Teil mit Schubert-Liedern nach Texten von Rückert arbeitet er etwa in „Greisengesang“ den Kontrast zwischen geisterhafter Altersresignation und jugendlichen Wünschen heraus, bei „Du bist die Ruh“ hört man das Gegenteil von schlichten Herzenstönen, aber nicht minder ergreifend. Julius Drake am Klavier ist ein kongenialer, aber völlig anders agierender Partner. Er spielt wunderschön, klangvoll, kraftvoll und delikat, mit höchster Konzentration und verkörpert den ruhenden Gegenpol zu dem zerrissenen Bostridge.

Dramatisch vor allem im Klavierpart sind die beiden Gesänge aus Hans Werner Henzes „Sechs Gesänge aus dem Arabischen“ gestaltet, die für Bostridge und Drake komponiert wurden. Der Sänger setzt seine variantenreiche Vokalgestaltung gezielt ein, wenn er z. B. in „Cäsarion“ nach einer Partie von unbegleitetem Sprechgesang das Wort „Elfenbein“ wie „Älfenbein“ artikuliert und es zu einem kleinen Schrei dehnt oder in „Das Paradies“ das Falsettregister einsetzt.

Grandios

Nach der Pause waren Mahlers Lieder aus „Des Knaben Wunderhorn“ mit ihrem Leiden und ihren Abgründen an Intensität nicht zu überbieten. Nach der komischen „Fischpredigt“ steigerte sich in „Revelge“ die Verzweiflung des Protagonisten bis ins Irrsinnige. Man sah im Geiste (rückblickend) bereits die Soldatenkolonnen des Ersten Weltkriegs in den Tod marschieren. Im „Tambourg’sell“ verwandelte sich der Sänger in eine angstgeschüttelte Gliederpuppe, mit grotesk nach innen gebogenen Fingern und abgespreiztem Daumen. Ein grandioses Ereignis.

Die weiteren Rückert-Lieder zeigten ruhigere Facetten. Beim abschließenden „Ich bin der Welt abhanden gekommen“ hielt sich Bostridge am Ende die Hand über die Augen. Danach lange Stille – dann erst der erlösende Applaus und zwei Zugaben, Mahlers „Frühlingserwachen“ und Schuberts „Abschied“.

Es ist eine Rezensentenphrase, dass ein Künstler das Publikum „in seinen Bann schlägt“. Bei Bostridge stimmt es. Ein Konzert mit ihm ist pure Magie.

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