Zwei, die mir fehlen werden
Gerne nehme ich mir, wenn ich irgendwo unterwegs bin, Literatur zu jenem Ort, an den ich reise, mit. Also gerne in Italien italienische Autoren. Als ich vor Kurzem in Italien war, hatte ich Bücher von zwei eben verstorbenen Dichtern im Gepäck. Zwei Literaten, die mich schon seit Jahren begleiten – und erfreuen; zwei völlig unterschiedliche Autoren, die mich dennoch beide immer wieder in ihren Bann gezogen haben. Die Rede ist von Andrea Camilleri, dem sizilianischen Ausnahmeschriftsteller, der vor allem mit dem sizilianischen Commissario Montalbano Welterfolge feierte; die Rede ist auch von Luciano de Crescenzo, der uns nicht zuletzt mit seinen großartigen Büchern über die griechische Philosophie erfreute und damit in den internationalen Bestsellerlisten landete. Beide Autoren waren schon alt, Camilleri deutlich über, de Crescenzo knapp über neunzig. Ein Ende war also abzusehen, ungeachtet dessen ist es trotzdem schmerzlich.
Andrea Camilleri musste lange auf den wirklichen literarischen Erfolg warten, er war zuerst Lehrer, Drehbuchautor, Regisseur oder Produzent. Und als er 1978 sein erstes Buch „Der Lauf der Dinge“ herausbringen wollte, wurde es von 14 Verlagen abgelehnt, als es dann veröffentlicht wurde, war es ein Misserfolg. Der Durchbruch kam 1994 mit dem ersten Buch mit Commissario Montalbano. „Die Form des Wassers“ wurde zum Bestseller, Montalbano zur Kultfigur. Mehr als zwanzig Montalbano-Bücher hat Camilleri herausgebracht, mehr als 30 Millionen wurden in aller Welt verkauft. Ich war ein treuer Leser, weil es Camilleri schaffte, in seinen Büchern sizilianisches Leben und sizilianische Eigenheiten zu vermitteln. Nicht zuletzt: Camilleri blieb bis ins hohe Alter ein politischer Schriftsteller, zu seinen Intimfeinden gehörte der vor Kurzem abgetretene rechte Innenminister Matteo Salvini wegen seiner Haltung gegenüber Flüchtlingen.
Nicht weniger politisch war Luciano de Crescenzo, der in seinem angestammten Beruf Topmanager bei IBM in Italien war. Seine Liebe aber galt der Philosophie, vor allem der griechischen und jener der einfachen Menschen in Italien. In seinem Buch über die griechischen Vorsokratiker fanden immer wieder auch Neapolitaner mit ihrer Einstellung zum Leben Berücksichtigung. De Crescenzo meinte, sie seien nicht weniger klug als die gescheiten Philosophen. Wahrscheinlich hatte er damit sogar recht. In jedem Fall werden mir beide, Camilleri und de Crescenzo, fehlen – sie waren so wunderbare Stimmen Italiens.
„Andrea Camilleri musste lange auf den wirklichen literarischen Erfolg warten, er war zuerst Lehrer, Regisseur und Produzent.“
Walter Fink
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Walter Fink ist pensionierter Kulturchef des ORF Vorarlberg.
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