Alte Geschichten für eine neue Zeit

Michael Köhlmeier und Konrad Paul Liessman erzählen und deuten zwölf Geschichten über die Spielarten des Bösen.
Schwarzach Betrug, Verrat, Intrige: Mit einer klaren Aufgabenverteilung präsentieren Erzähler Michael Köhlmeier und Philosoph Konrad Paul Liessmann in ihrem neuen Buch mit dem Titel „Der werfe den ersten Stein – mythologisch-philosophische Verdammungen“ zwölf Geschichten über die Spielarten des Bösen. Köhlmeier erzählt, Liessmann deutet. „Jeder Mensch soll eine Geschichte interpretieren, nur einer nicht: der Autor“, betont Köhlmeier. Seine Aufgabe sei es, dem Leser eine Geschichte zu erzählen. Die Deutung überlässt dem Philosophen. Ein bewährtes Prinzip, das regelmäßig live beim jährlich stattfindenden Philosophicum Lech zur Anwendung kommt und das bereits im vorangegangenen Bestseller „Wer hat Dir gesagt, dass du nackt bist, Adam?“ erfolgreich in literarischer Form umgesetzt wurde.
Besonders interessant ist für Liessmann dabei die Frage nach der Relevanz der Geschichten für die heutige Zeit. „Meine Aufgabe ist es herauszufinden, welche Botschaften in den antiken Mythen, biblischen Geschichten oder Shakespeares Erzählungen enthalten sind, welche Deutungen möglich sind, aber vor allem, ob es Botschaften sind, die für unsere heutige Zeit noch relevant sind.“ Die Antwort des renommierten Philosophen ist eindeutig: „Ich bin der Überzeugung, dass wir erst wirklich verstehen können, was eine Intrige ist, wenn wir es uns anhand einer Geschichte vor Augen führen.“ Im Buch ist es Köhlmeiers Erzählung des Othello und seines Gegenspielers Jago, das den Leserinnen und Lesern vor Augen führt, wie eine Intrige funktioniert. Jago, der sich bei einer Postenbesetzung durch Othello hintergangen fühlt, sorgt durch sein intrigantes Spiel dafür, dass Othello schließlich seine Frau Desdemona ermordet. „Jago ist der prototypische Intrigant, er verkörpert, was Hannah Arendt später als das banale Böse charakterisiert“, so Köhlmeier.
Menschenrecht auf Lüge
Alle Geschichten, die Köhlmeier erzählt, haben ihre Wurzeln in bekannteren oder weniger bekannten literarischen Texten. Die zweite Geschichte des Buchs mit dem Titel „Lügen – ein Menschenrecht“, erzählt vom Zwillingsbrüdern, bei denen der Jüngere immer als der Ältere bezeichnet wird, weil er der Vernünftigere sei. Eine Verdrehung mit weitreichenden Konsequenzen für beide. Liessmann greift in seiner Deutung Immanuel Kants These, wonach keine Lüge gerechtfertigt werden kann, auf und stellt ihr die provokante philosophische These der „Lüge als Menschenrecht“ gegenüber. Was bedeutet es, wenn Wahrheit und Lüge nah beieinander liegen – für den Einzelnen, aber auch für eine Gesellschaft im Zeitalter von Desinformation und Fake News?
Streitfragen und menschliche Krisen, von Achill über Jesus bis hin zu Othello und dem Nibelungenlied. Köhlmeier und Liessmann geben in ihrem neuen Buch mittels Geschichten und philosophischer Analyse einen Einblick in die menschlichen Abgründe und die Spielarten des Bösen.
Buchpräsentation bei Russmedia in Schwarzach: Mittwoch, 4. September, 19 Uhr; Anmeldung: Tel.: 05572/29570 oder per E-Mail an info@das-buch.at