Wo Ort, Zeit, Personen und Geschehen unbekannt sind

Die Galerie allerArt zeigt neue Arbeiten des Vorarlberger Malers Ingmar Alge.
Bludenz Es ist lange her, seit Ingmar Alge zuletzt in Vorarlberg ausgestellt hat. Umso mehr Freude macht die kleine, feine, fast museal anmutende Ausstellung in der Galerie allerArt, die die jüngsten Arbeiten des Malers nach einer Präsentation in Berlin vor einigen Monaten nun zurück ins Land bringt.
Zuerst waren die Häuser: Dem Sujet des Einfamilienhauses, kühl, menschenleer, und der Ölmalerei als ausschließlichem Medium hat sich Ingmar Alge ab 1999 gewidmet. Im Gebauten war der Mensch in den Bildern des Vorarlberger Künstlers zwar irgendwie schon immer vorhanden, doch in der Folge hat er sich auch gestalthaft Zugang verschafft und in den neuesten Arbeiten ist er so präsent wie nie zuvor.

In der Weiterentwicklung des Werks haben sich zunehmend abstrakte Flächen eingeschlichen, die die Klasse und Meisterschaft dieser beinahe altmeisterlich praktizierten Malerei mit ihren vielen, fein lasierten Schichten unter Beweis stellt. „Es war mir wichtig“, so Ingmar Alge, „dass die Gemälde sowohl als abstrakt zu lesende Kompositionen aus der Distanz als auch gegenständlich funktionieren.“
Als Vorlage dienen dem Maler mediale Bilder aus dem Netz. Weit weg von der aufgestöberten journalistischen Fotografie überführt Alge das Gefundene in sein Medium, klassisch in Komposition und Technik. Durch die Transformation erscheint Vertrautes plötzlich fremd und Fremdes wird vertraut. Man kann das Dargestellte zwar beschreiben und benennen und dennoch werfen die Bilder mehr Fragen auf, als sie Antworten geben. Habe ich dieses Bild nicht schon einmal irgendwo gesehen? Die Titel der drei großformatigen Arbeiten „Protest“, „Suche“ und „Konferenz“ liefern Anhaltspunkte, sind aber kaum mehr als Indizien. Sind die Menschen auf dem Boot Flüchtlinge? Ist es ein Rettungsboot? Wogegen protestieren die hinter den leuchtend magentafarbenen Bannern im Dunkel verborgenen Personen oder was waren die Ergebnisse der „Konferenz“? Inspiriert vom kürzlich verstorbenen Autor und Philosophen Roger Willemsen unternimmt Ingmar Alge den Versuch, über seine Bilder und den imaginären Blick aus der Zukunft die im Hier und Jetzt noch nicht einschätzbare Gegenwart zu beleuchten.

Nicht nur Ort, Zeit und genaues Geschehen sind die großen Unbekannten im Werk. Auch die Menschen, meist in Rückenansicht dargestellt oder die Gesichter hinter den Protestfahnen versteckt, entziehen sich der Zuordnung. Selbst in der Reihe der Porträts, mit denen er sich seit einigen Jahren auseinandersetzt, wird die Funktion des Abbildens ad absurdum geführt, wenn die Gesichter immer wieder übermalt, verwischt, ja fast ausgelöscht werden. Diese Prozesshaftigkeit ist für den Künstler wesentlich. Den Zufall und das nicht-Berechenbare, wenn Dinge während des Malens einfach passieren, lässt er gerne zu. Während er die vielen Schichten aufträgt und wieder abwischt, sich Anwesenheit in Verschwinden verwandelt und er vom ursprünglich Gegenständlichen immer mehr ins Abstrakte und zur Essenz des Bildes kommt, bleibt Zeit zum Nachdenken. Die möchte man sich auch als Betrachter nehmen und diese Malerei, die im Galerieraum ganz stark vom Licht gespeist wird, in sich aufsaugen. Ariane Grabher
Die Ausstellung ist in der Galerie allerArt, Remise, Raiffeisenplatz 1, in Bludenz, bis 9. November geöffnet, Mittwoch bis Sonntag sowie Feiertag von 15 bis 18 Uhr.
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