Von Katern, Helden und Eliten

Tolle Aufwärmrunde zu einem äußerst brisanten Philosophicum in Lech.
Lech Dass Hartmann von Aue und sein „Gregorius“ eine Rolle spielen, wenn ein Philosoph und ein Schriftsteller sich im Rahmen eines informativ-unterhaltenden Gesprächs den Erwählten bzw. der Elite mit den Werkzeugen des jeweiligen Metiers widmen, das geht ja noch an, aber das Märchen vom Gestiefelten Kater? Auf das Unerwartete setzt das Publikum aber wohl, das seit einigen Jahren schon bei den sogenannten Vorabenden zum Philosophicum Lech den Veranstaltungsraum füllt. Und so konnte es am Mittwochabend eben erfahren, erkennen oder darüber schmunzeln, dass der allseits bekannte Kater seinem Herrn den sozialen Aufstieg ermöglicht, indem er lügt, betrügt und täuscht. Während der ehemalige Müllersbursche am Ende getreu der Logik des Aufstiegs auch in sexueller Hinsicht als Ehemann einer Prinzessin satisfaktionsfähig ist, wird das sprechende Tier immerhin mit einem Ministerposten belohnt. „Das Märchen hat sehr viel mit unserem Land zu tun“, lässt Konrad Paul Liessmann in seine Interpretation der spannungsreichen Nacherzählung von Michael Köhlmeier einfließen. Der Text von Ludwig Tieck ist Ausdruck sozialer Verwerfungen im späten 18. und 19. Jahrhundert: „Es steckt ein gerüttelt Maß an Sozialkritik drinnen, schaut euch doch die Herrschenden und die Hochrangigen an, ihre Verwaltungsbeamten, alles ist auf Täuschung, auf das Ausnützen der Leichtgläubigkeit aufgebaut.“
Über jede Kritik erhaben und in völliger Abgeschlossenheit agiert jene Elite, von der die mittelalterliche Geschichte „Gregorius“ handelt, auf die sich unter anderem auch Thomas Mann in seinem Werk „Der Erwählte“ bezog. Vom doppelten Inzest wird eine Frau nur durch den Spruch jenes Papstes erlöst, der ihr eigener Sohn ist, den sie mit dem Bruder zeugte.
Zwei Bücher
„Der werfe den ersten Stein – mythologisch-philosophische Verdammungen“ lautet das jüngste Buch mit zwölf Geschichten über die Spielarten des Bösen von Konrad Paul Liessmann und Michael Köhlmeier, das vor wenigen Wochen im Rahmen einer Lesung der beiden Verfasser bei Russmedia in Vorarlberg vorgestellt wurde. Zuvor erschien das Werk „Wer hat Dir gesagt, dass du nackt bist, Adam?“. Ausgangspunkt dieser Publikationen, die geistvoll unterhaltend als bestes Beispiel für den leichten Einstieg in den philosophisch-literarischen Diskurs gelten können, waren die Vorabende zum Philosophicum Lech. Den Eliten – schließlich war noch vom Kämpfer Achill zu hören, der mit seinem Zorn quasi für das Verhalten von Mitgliedern einer elitären Schicht steht – wird vielleicht ein weiterer Band gewidmet.
Brisanz
Dem Verhältnis von Eliten zur Demokratie, der Frage, wer diese Eliten, also etwa die Top-Manager, Meinungsführer und Spitzenpolitiker, überhaupt sind und inwieweit sie ein Bollwerk gegen die Aushöhlung der Demokratie darstellen, ist das am heutigen Donnerstag beginnende Philosophicum Lech gewidmet. Dass es in den Tagen vor der Nationalratswahl in Österreich stattfindet, war bei der Festlegung des Themas im Vorjahr nicht erahnbar. Freilich gewinnt die Tagung, bei der unter anderem der Publizist Alexander Grau über die Werte der neuen Eliten spricht oder Christian Neuhäuser, Professor für Politische Philosophie, die Unternehmensethik behandelt, an Brisanz. Wenn jetzt eine ganze Reihe von Machenschaften von jenen aufgedeckt werden, die immer für Sauberkeit eingetreten sind, dann hinterlässt das den schlechten Beigeschmack, dass es sich die da oben richten, dass die Menschen zu Stimmvieh degradiert werden, bringt es Konrad Paul Liessmann in einem kurzen Gespräch mit den VN auf den Nenner: „Dass das Gegenteil von dem passiert, was Demokratie ausmacht, darüber werden wir bei diesem Philosophicum sicher auch diskutieren.“
Zurück zum selten auftauchenden Hartmann von Aue. Dass Liessmann ein energischer Verfechter für Reformen in der Bildungspolitik ist und für eine umfassende Bildung eintritt, weiß man. Nur das zu vermitteln, was junge Menschen angeblich wirklich brauchen, entlarvt er vehement als Trugschluss. Philosophicum-Teilnehmer geben ihm sowieso recht, auch Hörer des Vorabends dürften froh gewesen sein, eine nicht nur auf einen bestimmten Nutzen ausgerichtete Bildung erfahren zu haben.
„Dass das Gegenteil von dem passiert, was Demokratie ausmacht, darüber werden wir auch diskutieren.“
Das Philosophicum dauert bis 29. September. Beginn der Vorträge und Diskussionen am 26. September: www.philosophicum.com