Die Sonnenstunden prolongiert

Kultur / 29.09.2019 • 20:11 Uhr / 5 Minuten Lesezeit
Mit dem Saumarkt steht Markus Linder seit Beginn seiner Karriere in Verbindung, mehr noch, hier offerierten seine Eltern das Kabarett „Die Wühlmäuse“. VN/cd
Mit dem Saumarkt steht Markus Linder seit Beginn seiner Karriere in Verbindung, mehr noch, hier offerierten seine Eltern das Kabarett „Die Wühlmäuse“. VN/cd

Markus Linder hat sein durchaus bissiges Musikkabarettprogramm „O solo mio“ gestartet.

Feldkirch Auch vom Termin her gesehen hat Markus Linder einen punktgenauen Start hingelegt: Ab dieser Woche amüsiert der Vorarlberger Musiker, Kabarettist und Schauspieler wieder als Pfarrer, der es mit dem Zölibat nicht genau nimmt, im österreichischen TV-Serienhit „Vier Frauen und ein Todesfall“, in dem so viel Krimi wie Satire steckt, und wenn etwas im gerade begonnenen Herbst die Stimmung hebt, dann ist es auf jeden Fall die Prolongation der Sonnenstunden. In Abwandlung eines berühmten Liedes, dessen Interpretation auf seiner persönlichen Bucket List steht und das er zum Finale auch voller Inbrunst schmettert, nennt er sein neuntes Kabarettprogramm nicht nur „O solo mio“, der Abend ist – unsentimental und somit durchaus von den Fakten her gesehen inklusive des intendierten Wissenszugewinnes – absolut wärmend bzw. herzerwärmend.

Er sei „tatschartig“ sechzig geworden, hält er mit auf unwiderstehliche Art gespielter Naivität beim Tritt vor den Vorhang fest. Da sei es einerseits endlich Zeit für den künstlerischen Durchbruch und andererseits könne man das Erstellen und Abarbeiten der erwähnten Bucket List, also der Liste mit jenen Dingen, die man vor seinem Tod noch erledigen oder erfahren  will, nicht mehr auf die lange Bank schieben. Wenn Linder tiefstapelt, ist es kein Fischen nach Komplimenten, er agiert so witzig wie selbstironisch. Von wegen Durchbruch, als Entertainer steht er seit rund 30 Jahren auf der Bühne und dass er gerade im Feldkircher Saumarkt, also auf jenen Brettern, auf denen seine Eltern Trudy und Heiner Linder einst mit dem Kabarett „Die Wühlmäuse“ die Selbstgefälligkeit im (immer noch) äußerst konservativen Vorarlberg durchkreuzten, kaum politisch daherkommt, muss kein Schwachpunkt sein.

Mit feinen Stichen

Wer nämlich das Programm „O solo mio“ nach der Entlarvung von Saturiertheit und eingebürgertem Chauvinismus durchforstet, wird durchaus fündig. Linders Stiche und Sticheleien sind fein gesetzt und richten sich vor allem gegen jene grundsätzliche Voreingenommenheit, die kaum Widerrede duldet und wenn seine Frau Sabine per Videoeinspielung aus verschiedenen Perspektiven – etwa als Schweizerin, Schwäbin oder Wienerin – das Auftreten des Kabarettisten kommentiert, dann steckt der Witz nicht nur in den humorvoll breitgetretenen Klischees. Ein attraktiver Heiratskandidat sei er sowieso nicht, der Pädagoge mit Hochschulabschluss und der damit verbundenen Aussicht auf ein gesichertes Einkommen und den entsprechenden Sozialstatus hat die künstlerische Laufbahn eingeschlagen, Band um Band gegründet und etwa als Blues-Liebhaber diverse New Orleans Festivals initiiert. Und jetzt schreitet er also auch noch als Film-Pfarrer abseits des Pfades der Tugend. Dass er die echauffierten Bürger quasi mit der einen Gesichtshälfte darstellt, während er mit der anderen diebische Freude über den eigenen Lebensentwurf zum Ausdruck bringt, dieses Spiel zeichnet ihn aus und das macht ihm nicht so schnell jemand nach.

Vollblutmusiker

Ob am Flügel, am Keyboard oder an der Melodica – als Vollblutmusiker ist Markus Linder immer schon vor sein Publikum getreten. Er haut quasi mit jeder Faser seines Körpers in die Tasten, imitiert dabei Mick Jagger, Michael Jackson, Elvis oder James Brown nicht einfach, nein, das wäre ihm viel zu billig, er gibt mit einem Fingerschnipser, mit einem kleinen Accessoire oder mit ein paar Tönen zu erkennen, wen er gerade meint und kreiert daraufhin eine Nummer. Ob skurril überhöht, durchgeknallt oder auch aus Ehrfurcht vor dem Können des jeweiligen Künstlers gespeist – die kleinen Einzelstücke sind in eine lückenlose Choreografie eingebunden. Diese stete Präsenz steigert die Begeisterung. Und dass beinahe jeder Welt­hit sexuell bzw. erotisch konnotiert ist, haben seine Fans vielleicht schon gewusst, es nun mit so viel Esprit zu erfahren bzw. vorgeführt zu bekommen, hat das Publikum im Feldkircher Saumarkt zu einem jubelnden gemacht. Selbst die Säule dieses Kellertheaters erhält ein tolles Lied, doch „O solo mio“ funktioniert sicher auch anderswo.

Nächste Auftritte von Markus Linder am 11., 12. und 18. Oktober im Theater am Saumarkt in Feldkirch und zahlreiche weitere: www.saumarkt.at

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