Der Meister hüllenloser Szenen als stiller Poet

Spencer Tunick zeigt seine “Nudes” im Flatz Museum.
Dornbirn Bei ihm dürfen die Menschen nicht nur ins Kunstwerk und mitwirken, sie sind ein unabdingbarer Teil davon. Und wenn er ruft, dann kommen sie in Scharen um ihre Hüllen fallen zu lassen und in der Hitze der Wüste von Nevada, vor dem Sydney Opera House oder bei eisigen Temperaturen auf dem Schweizer Aletschgletscher zu posieren. Spencer Tunick (geb. 1967) arrangiert meisterliche Massenszenen von nackten Körpern, die als spektakuläre Bilder um die Welt gegangen sind und Aufsehen erregt haben. In der Ausstellung „Nudes“ im Dorbirner Flatz Museum wirft der US-amerikanische Fotograf einen Blick zurück auf die Anfänge und die Entwicklung seines Werks. Die von Gerald Matt, der als Leiter der Kunsthalle den Künstler seinerzeit nach Wien geholt hat, und Jürgen Weishäupl, der das Kulturprojekt „Österreich am Ball“ im Vorfeld der UEFA EURO 2008 im Happel-Stadion konzipiert hat , kuratierte Schau ist Tunicks erste Einzelausstellung in Österreich. „Good old Austria“ bleibt somit ein gutes Pflaster für den New Yorker, denn in Wien und Bregenz wurde seine internationale Karriere Ende der 1990er Jahre mit ersten, institutionell organisierten Aktionen eigentlich erst so richtig angeschoben. In Amerika wegen „illegaler Aktivitäten im öffentlichen Raum“ als Krimineller des Öfteren verhaftet, wurde er in Österreich als Künstler legiti-
miert.
„Das
war ein großer,
wundervoller
Moment für mich – vom kriminellen Fotografen zum gefeierten Künstler“, so Tunick.
Die Reinheit des Körpers
Die kleine, feine Schau, für die Spencer Tunick sein reiches Archiv weit geöffnet hat, gibt einen Überblick über die Entwicklung seines OEuvres und offenbart dabei in wunderschönen Aufnahmen auch überraschende Einblicke in ein stilles, ja geradezu poetisches Frühwerk in Schwarzweiß, das einzelne Menschen in den Straßen oder U-Bahn-Schächten von New York zeigt. Der Körper, so Tunick, ist rein und ist die Hülle unserer Seele. „Nudes“, der Titel der Schau, verweist auf die Aktfotografie, deren lange kunsthistorische Tradition Tunick um wesentliche Aspekte erweitert, indem er an die Happenings und Aktionskunst der 1970er und 1980er Jahre anschließt und Elemente der Landschaft, des Skulpturalen und des inszenierten Stilllebens einfließen lässt.
Umweltpolitisch
„Lebende Skulpturen“ oder „Körperlandschaften“ nennt er seine temporären Installationen, für die er im Gegensatz zu Künstlern wie Vanessa Beecroft nicht mit Profimodels arbeitet, sondern Amateure engagiert, die seinen Anweisungen folgen und als Gage ein Foto der Aktion erhalten. 18.000 nackte Menschen waren es in Mexiko City, rund 600 freiwillige Aktmodelle sind an den Aletschgletscher gereist – das bislang extremste Projekt für Tunick, in Zusammenarbeit mit Greenpeace. Zunehmend (umwelt)politisch läßt er sich gerne „Einspannen“ für Dinge, die ihm wichtig sind. So hat er beispielsweise mit einer Protestaktion auf die Nominierung von Donald Trump reagiert und ließ 100 nackte Frauen den Republikanern in Cleveland den Spiegel vorhalten. „(…) das habe ich für meine Frau und meinen beiden Töchter gemacht. Ich bin gegen alles, wofür Donald Trump steht.“ Was Tunick noch verrät: „Außerdem stammt meine Urgroßmutter, eine gewisse Regina Stern, aus Österreich und ich bin vielleicht ein ganz kleines bisschen auch Österreicher.“
„Außerdem stammt meine Urgroßmutter, eine gewisse Regina Stern, aus Österreich.“

Eröffnung 4. Oktober, 19 Uhr, Flatz Museum, Marktstraße 33, Dornbirn. Bis 1. Februar, Fr, 15 bis 17 Uhr, Sa, 11 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung (05572/3064839).
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