Absolut herausfordernd

Seraphin Simon hat das Videomapping entwickelt.
Uraufführung „Warten auf Tränengas“ von Sauter/Studlar im Theater Kosmos.
Bregenz Es ist ein hochpolitisches Stück, das wohl keinen der Besucher im Anschluss einfach zur Tagesordnung übergehen lässt, es ist eine Inszenierung, die auf jeden Satz bedacht ist, es ist eine Ausstattung, in der Videomapping so zum Einsatz kommt, dass auch das wiederum besonderes Interesse hervorrufen wird. Dass es das Theater Kosmos nicht bei einer Uraufführung eines Textes von Andreas Sauter und Bernhard Studlar bewenden lässt, sondern mit Simon Frick auch noch einen Musiker für eine Komposition ins Team holt, ist ein zusätzliches Plus.
Es ist ein überlegt gewählter Zusatz, denn auf den reinen Text reduziert, wirkt „Warten auf Tränengas“ wie eine Fortschreibung des Klassikers „Der Besuch der alten Dame“ von Friedrich Dürrenmatt. Die Parabel von der Korrumpierbarkeit der Menschen haben der Schweizer und der österreichische Autor, die schon länger als Team auftreten, nirgendwo verortet, aber in eine Gegenwart verlegt, in der eine schweigende Masse gegen eine Regierung antritt, die demokratische Grundsätze nach und nach außer Acht gelassen hat. Es gibt keine Claire Zachanassian, die scheinbar Gerechtigkeit fordert und dabei davon ausgehen kann, dass die Gier der Menschen größer ist als deren Mitgefühl, der Sachverhalt um den Aufstieg einer Politikerin, die die Vision von einer gerechten Verteilung der Güter umzusetzen trachtet, ist gut aufgefächert und ungemein komplex. Auf den Punkt gebracht ist sie dann aber wieder simpel: Am Ende sind es die Wort-
hülsen, die sie nicht weniger als Populistin ausweisen als einige der Staatsmänner oder Politikerinnen und Politiker, die uns umgeben. Es sind Mechanismen, die in unseren Alltag hineinwirken und die ein engagiertes Theater wie es das von Jagg und Dragaschnig geleitete Unternehmen Kosmos in Bregenz ist, dazu führen, die Frage, was ein gutes Leben ist, als Motto über den Jahresspielplan zu stellen.
Ausgereizt
Sie nehmen sie sehr ernst und sie scheuen mit dieser Uraufführung auch nicht, den schmalen Grat hin zur Agitation anklingen zu lassen oder die Möglichkeit der Überhöhung – hier rollt immerhin ein Kopf – bis ins Extreme auszureizen, sie bieten aber eben auch Theater, ein Kunstwerk, ein Projekt, das auf einnehmende Art darlegt, inwieweit aus dem Ineinandergreifen der Sparten Gewinn zu schöpfen ist. Was Macht aus Menschen macht, ist ein Thema des Stücks, das Stella Roberts und Bernd Sracnik als die beiden Protagonisten des Dramas gerade in ihren leisen Szenen verdeutlichen. Abgesehen vom Denkanstoß, den Bernhard Studlar und Andreas Sauter mit ihrem Text liefern, der genauso den Zugriff eines Regieteams braucht wie die alte Parabel von Dürrenmatt, die als reiner Plot ja kaum berührt, interessiert „Warten auf Tränengas“ als Regiearbeit (Hubert Dragaschnig), die einen schönen Erzählduktus erzeugt, ob des ästhetischen Reizes mit ausgefeilt eingesetztem Videomapping von Seraphin Simon und ob einer inspirierenden musikalischen Einfärbung.

Das starke Bühnenbild entwarf Reinhard Taurer.

Weitere Aufführungen des Stücks „Warten auf Tränengas“ im Theater Kosmos vom 22. Februar bis 14. März, 20 oder 17 Uhr: www.theaterkosmos.at